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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Schullehrerinnen benahmen. Diese Tantchen und die sehr alten Männer und Frauen spielten mit den Kindern und kümmerten sich um sie, wenn die Eltern abwesend waren. Man konnte sehen, daß die Eltern unglücklich waren, wenn sie die Kleinen verlassen mußten, aber gegen den Zwang ihrer Halsringe konnten sie sich nicht wehren. Allerdings die Rama-Pfleger erzählten mir, das Tantchen-System werde in ähnlicher Weise auch von den wildlebenden Ramas befolgt. Im allgemeinen erzeuge es gut angepaßte Individuen. Die Tanu haben Ramas in Gefangenschaft aufgezogen, seit sie auf diesem Planeten leben.«
    »Diese Laute, die sie von sich geben«, überlegte Claude. »Konnten sich gewöhnliche, ringlose Leute wie Sie mit ihnen verständigen?«
    Martha schüttelte den Kopf. »Sie hörten auf ihre Namen, und sie reagierten auf vielleicht ein Dutzend einfacher mündlicher Befehle. Aber hauptsächlich erfolgte die Kommunikation mit ihnen durch die Ringe. Sie begriffen sehr komplizierte mentale Befehle. und natürlich wurden sie mit der Lust-Schmerz-Schaltung dressiert, so daß sie bei Routine-Aufgaben wie Hausarbeit wenig Aufsicht brauchten.«
    Madame wiegte den Kopf. »So nahe der Menschlichkeit, und doch so weit von uns entfernt. Ihre Lebensspanne beträgt in der Gefangenschaft nur vierzehn oder fünfzehn Jahre. In der Wildnis wahrscheinlich weniger. So zart, so hilflos wirkend! Wie waren sie nur fähig, die Hyänen, die Bärenhunde, die Säbelzahn-Katzen und andere ungeheuer zu überleben? «
    »Durch ihren Verstand«, sagte Richard. »Sehen Sie sich die Kleine an, die zu uns gekommen ist. Ihre Familie wird heute abend nicht hungern. Direkt vor unseren Augen ist die natürliche Auslese am Werk. Dieser kleine Affe ist ein Überlebenstyp.«
    Felice betrachtete ihn mit bösartigem Ausdruck. »Mir war doch gleich, als sei da eine Familienähnlichkeit ... Da, Captain Blood, nimm dir zum Nachtisch von den Früchten deiner ur-ur-et-cetera-Großmutter.«
    Sie ließen die Donau hinter sich und marschierten. Die Temperatur mußte unter der September-Sonne über vierzig Grad betragen, aber ihre angepaßten Körper hielten das aus. Es ging über sonnverbranntes Gras, durch Dickichte aus stacheligem Maquis, über Steine in den trockenen Wasserläufen, an die sie sich hielten. Richard hatte ihnen das Ziel gesetzt den Einschnitt zwischen zwei langgestreckten Hügeln, die in genau nördlicher Richtung hinter langsam ansteigendem Land mit so gut wie keinem Fleckchen Schatten und überhaupt keinem Wasser lagen. Sie zogen sich bis auf Unterhosen, Rucksäcke und breitrandige Hüte aus. Madame gab eine kostbare Tube mit Sonnencreme weiter. Richard führte den Zug an, und Felice bildete die Nachhut. Die Athletin suchte das Gelände unermüdlich ab, vergewisserte sich, daß kein Tier sie beschlich, und forschte wie sich herausstellte, ohne Glück nach einer Quelle oder Wasser in anderer Form. Claude und Madame stützten Martha zwischen sich. Mit jeder Stunde, die sie unter heißer Sonne marschierten, wurde die Ingenieurin schwächer, doch sie ließ es nicht zu, daß sie langsamer gingen. Keiner von ihnen wollte anhalten, ungeachtet der Tatsache, daß sich vor ihnen nichts anderes zu befinden schien als trockenes, von Büschen bewachsenes Hochland, das sich bis zum welligen Horizont hin erstreckte. Darüber hing ein blaßgelber, gnadenloser Himmel.
    Endlich sank die Sonne, und der Himmel nahm ein helles Grün an. Madame ließ in der Nähe einer Felsspalte anhalten, wo sie sich wenigstens unbeobachtet erleichtern konnten. Madame führte Martha hinein, und als die beiden zurückkamen, war das Gesicht der alten Frau sehr ernst.
    »Sie blutet wieder«, sagte sie zu Claude. »Sollen wir hierbleiben? Oder sollen wir noch einmal eine Tragbahre aus einem Bett machen?«
    Sie entschieden sich für die Tragbahre. Solange noch Tageslicht war, wollten sie vorankommen. Nur noch ein paar Kilometer, und sie erreichten den Paß.
    Sie setzten ihren Weg so fort, wie sie es bei dieser Expedi-tion schon einmal getan hatten, einer an jeder Ecke der Bahre. Martha lag da, die Zähne auf die Unterlippe gebissen, Zwillingsflecke in grellem Rosa als Abzeichen ihrer tödlichen Krankheit auf den fahlen Wangen. Aber sie sagte nichts. Der Himmel verwandelte sich in ultramarin und dann in Indigo, und die ersten Sterne erschienen. Sie konnten jedoch immer noch gut genug sehen, um weiterzuwandern, und so wanderten sie höher und höher, näher an den Einschnitt heran.
    Endlich hatten sie

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