Das vielfarbene Land
den Gipfel erreicht. Die vier Leute setzten die Tragbahre ab und halfen Martha auf die Füße, damit sie bei ihnen stehen und nordwärts blicken konnte. In etwa fünf Kilometern Entfernung und nur etwas niedriger als der Paß, wo sie ausruhten, war ein langer Wall. Er erhob sich aus dem Land hinter der Hügelkette in einem buchstäblichen Dschungel aus stacheligem Maquis-Gebüsch und krümmte sich auf beiden Seiten zu einem großen Bogen, der schließlich mit dem nördlichen Horizont verschmolz. Der nackte Rand des Kraters schimmerte blaß durch die Dämmerung.
Felice nahm Richards Kopf zwischen beide Hände, hob sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf den Mund. »Du hast es geschafft! Genau auf die Nase getroffen, Bukanier-Baby du hast es geschafft!«
»Da will ich doch verdammt sein«, sagte der Pirat.
»Ich denke anders.« Claudes breites, slawisches Gesicht zeigte ein hingerissenes Lächeln.
»Oh, Madame, das Schiffsgrab!« Marthas Stimme brach; Tränen stürzten aus ihren Augen. »und jetzt ... jetzt ...«
»Jetzt werden wir unser Lager aufschlagen«, ordnete die praktische Französin an. »Wir werden uns gut ausruhen und neue Kräfte sammeln. Morgen beginnt unsere Arbeit erst richtig.«
Das Skelett lag, sorgfältig aufgebahrt, im Bauchabteil des fünften Fliegers, den sie inspizierten.
Im unterschied zu den anderen Menschen, deren Luken geschlossen gewesen waren, stand das Grabmal Lugonns den Elementen weit offen. Lange Jahre hatten die Säugetiere, Vögel und Insekten des Maquis ungehinderten Zutritt gehabt. Felice war wie immer die erste auf der Bordleiter des fremden Flugzeugs gewesen. Ihrem Triumphgeschrei darüber, daß sie endlich die Überreste des Tanu-Helden gefunden hatten, folgte ein gequältes Heulen, das den anderen vier Mitgliedern der Expedition die Haare zu Berge stehen ließ.
»Er trägt keinen Ring! Keinen Ring!«
»Angelique!« rief Claude beunruhigt. »Kontrollieren Sie sie, damit sie da drinnen keinen Schaden anrichtet!«
»Kein ... Ring!« Ein Kreischen diabolischer Wut hallte in der Flugmaschine wider, vermischt mit Gepolter. Richard und Claude kletterten die Leiter hoch. Madame Guderian stand im Schatten eines Flügels des Metallvogels, die Augen aufgerissen, den Mund zu einer angestrengten Grimasse verzerrt, beide Hände um ihren goldenen Halsreif gekrallt. Sie brauchte jedes bißchen ihrer koerziblen Metafunktion, wenn sie Felice zurückhalten, den instinktiven Drang des Mädchens, die Quelle ihrer Enttäuschung zu zerstören, bezwingen wollte. Von rasender Enttäuschung angespornt, zitterten die latenten Fähigkeiten der Athletin am Rand der Operanz. Die ultrasinne der alten Frau wurden bis zum äußersten belastet. Sie hielt fest, umklammerte das vulkanische Ding, das sich in ihrem mentalen Griff wand, während sie gleichzeitig mit ihrer telepathischen Stimme rief: Warte! Warte! Wir werden alle suchen! Warte!
Felice gab ihren Widerstand so plötzlich auf, daß Madame Guderian rückwärts taumelte und in Marthas schwachen Armen zusammenbrach.
»Okay!« rief Richard von oben herab. »Ich habe sie K.O. geschlagen. Sie ist bewußtlos.«
»Hat sie irgend etwas beschädigt?« fragte Martha und ließ Madame auf den staubigen Boden nieder.
»Hat nicht den Anschein«, antwortete Richard. »Komm rauf, Marty, und sieh dir die Sache selber an! Das ist ein Ding wie aus einem Märchen.«
Felice lag wie ein Bündel in der hinteren Ecke des Bauchabteils, das etwa drei mal sechs Meter maß. Es war ihr gelungen, Lugonns behelmten Schädel zu ergreifen und in einem Paroxysmus der Wut gegen das Steuerpult zu schmettern. Aber das Innere der alten Flugmaschine war so dick voll Staub, Tierkot und anderem organischen Abfall, daß das Relikt nicht zu Schaden gekommen war. Claude kniete nieder und legte den Kopf wieder an seinen Platz. Auf den Fersen hockend, betrachtete er die vor ihm liegende Legende.
Lugonns Rüstung, schwer mit Juwelen besetzt und mit Gold überzogen, war jetzt so getrübt und verkrustet, daß seine Knochen innerhalb der gegliederten Platten und Glasschuppen kaum zu erkennen waren. Der kristalline Helm, gekrönt mit einem seltsamen heraldischen Tier, war ein barockes und unglaublich kompliziertes Stück Kunsthandwerk so großartig noch mit seinem Schmutzüberzug, daß man seinen praktischen Zweck, das Ableiten von Photonen-Strahlen, ganz vergaß. Vorsichtig hob Claude das Visier und löste die sich überlappenden Kragenplatten und an Scharnieren hängenden
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