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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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von dem glasigen Schaft der Waffe abrutschen. Seine erschöpften Muskeln zitterten, als er versuchte, die Waffe auf das kleine blaue Sternbild zu richten, das die Mine kennzeichnete. Er konnte den Speer nicht genügend hinunterdrücken, um das Ziel in Reichweite zu bringen. »Schnell, Richard! Flieg zweihundert Meter weiter nach Süden!«
    »Aye«, brummte der Pirat. In einem Augenblick hatte der Flieger die Position gewechselt. »Ist es so besser?«
    »Warte ... ja! Ich habe es gleich. Muß es beim ersten Versuch schaffen. Es bleibt nur noch ein Schuß mit voller Energie ...«
    »Merde alors«, flüsterte Madame.
    Die alte Frau taumelte von Richard weg und krachte gegen das rechte Schott. Die Fäuste an die Schläfen gepreßt, begann sie zu schreien. Claude hatte noch nie solche Laute aus einer menschlichen Kehle gehört, kein solches Destillat aus Qual, Entsetzen und Verzweiflung.
    Im gleichen Augenblick blitzte etwas an dem Flugdeckfenster vorbei. Es glühte neonrot und hatte die Form eines Reiters auf einem Chaliko.
    »O Gott«, sagte Richard tonlos. Madames Schreie verstummten wie abgeschnitten. Sie stürzte bewußtlos zu Boden.
    »Wie viele?« fragte Claude. Er versuchte, sich selbst fest im Griff zu behalten, den schweren Speer ruhig auf das Ziel zu richten, er betete, daß sein alter Körper ihn nicht in dieser verzweifelten Situation im Stich lassen möge. Sie hatten es beinahe geschafft! Beinahe ...
    »Ich zähle zweiundzwanzig.« Richards ruhige Stimme schien aus weiter Feme zu kommen. »Die ganze Tafelrunde umkreist uns wie Sioux eine Wagenburg. Alle scharlachrot bis auf den Anführer, und dessen Spektralklasse würde ich irgendwo im BO-Bereich ansiedeln aufpassen!«
    Eine der Gestalten, die blau-weiße, tauchte herab und manövrierte sich unter den Flieger. Der Ritter zog sein glasartiges Schwert und stieß damit nach oben. Drei Leuchtkugeln lösten sich von der Spitze und stiegen ziemlich langsam auf die offene Bauchluke zu. Claude duckte sich, zog den Speer aus dem Weg, und die Dinger flogen in das Flugzeug, wo sie von Wänden und Boden abprallten. Sie zischten und gaben einen besorgniserregenden Geruch nach Ozon von sich.
    »Schieß!« schrie Richard. »um Gottes willen, schieß!«
    Claude holte einmal tief Atem. Er sagte: »Ruhig, Sohn!«, zielte und drückte den fünften Knopf von Lugonns Speer genau in dem Moment, als die kleinen blauen Lichter sich im Mittelpunkt des Visiers befanden.
    Ein smaragdgrüner Strahl stach auf die stemenbesetzte Erde ein. Wo er traf, wurde der Felsen weiß, gelb, orange, scharlachrot wie ein flammenarmiger Seestern. Claude fiel zur Seite, und der Speer klirrte aufs Deck. Die Bauchluke begann sich zu schließen.
    Kugelblitze sprangen und knatterten. Der alte Mann spürte, wie ihn einer im Rücken traf und brennend langsam das Rückgrat vom Gesäß bis zum Hals hinaufrollte. Das Innere des Fliegers war erfüllt von Rauch und dem Gestank nach brennendem Fleisch und Stoff. Auch Geräusche gab es, entdeckte Claude, als er die Szene von weitem betrachtete ein Brutzeln, als die beiden übrigen Energiekugeln ihr Ziel fanden, Flüche und dann ein dünner Schrei von Richard, ein wimmerndes Schluchzen von Angelique, die über das verschmierte Deck auf ihn zuzukriechen versuchte. Irgend jemand atmete in harter, rhythmischer Beharrlichkeit ein und aus.
    »Nimm es weg von mir!« rief eine panikerfüllte Stimme. »Ich kann nichts sehen, und ich muß landen! Ah verdammt nochmal, nein!«
    Ein scharrendes Krachen und ein langsames Kippen. Claude fühlte einen Luftzug (merkwürdig, wie er seinen Rücken verbrannte), und die Luke öffnete sich. Ein eigentümlich schiefer grasbewachsener Boden, grau und trüb im ersten Licht des Morgens. Richard schluchzte und fluchte. Angelique gab keinen Laut von sich. Rufende Stimmen. Köpfe, die von unten durch die Luke spähten wieder in diesem seltsamen Winkel. Gejammer von diesem dummen Jungen Old Man Kawai. Ameries vertraute Stimme: »Langsam! Langsam!« Felice sprudelte Obszönitäten hervor, als irgend jemand sagte, sie werde sich ihre Rüstung ganz schmutzig machen.
    »Legt ihn mir über die Schulter! Ich kann ihn tragen. Hör auf zu zappeln, Claude! Alter Trottel! Jetzt muß ich den ganzen Weg zum Krieg zu Fuß gehen.«
    Er lachte. Arme Felice. und dann hing er mit dem Kopf nach unten, das Gesicht in ihrem grünen Rock, und er schwang auf und ab und schrie. Aber nach einer Weile hörte die Bewegung auf, und sie legten ihn auf den Bauch. Etwas

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