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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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kam eine unerwartete Ablenkung aus dem Innern des Gebäudes. Das farbige Glas in den beiden Flügeln einer Fenstertür, die vielleicht fünf Meter von dem Soldaten entfernt waren, zersprang durch den Anprall eines schweren Gegenstandes in winzige Splitter. Schreie und ein Rumpeln waren zu hören. Lange Hände, mit Ringen bedeckt, hantierten an dem verklemmten Riegel. Weitere Hände schüttelten den verbeulten Rahmen. Der Winkel war so, daß Marshak die drinnen in der Falle sitzenden Leute nicht deutlich sehen konnte, aber ihre Angstund Entsetzensschreie erreichten sein Ohr wie auch seine Gedanken, und ebenso war es mit dem unheimlichen Trillern des Dings, das sie verfolgte.
    »Hilfe! Die Tür klemmt! und es kommt!«
    Hilf uns! Hilfehilfehilfe! HILFE!
    Der alles andere auslöschende Befehl eines Tanu-Oberherrn griff nach Marshaks Bewußtsein. Sein grauer Ring zwang ihn zum Gehorsam. Er verließ sein Versteck und rannte zur Tür. Auf der anderen Seite drückten sich drei weibliche Insassen des Freudendoms an die verbeulten kupfernen Ornamente, dazu ihr hochgewachsener Tanu-Kunde, dessen schöne Robe in Violett und Gold ihn als Funktionär der Fernsprecher-Gilde auswies. Vermutlich fehlte ihm das koerzible oder psychokinetische Potential, mit dem er die Erscheinung hätte abwehren können, die angriffsbereit unter einer Innentür verharrte.
    Der Firvulag sah aus wie die gigantische Larve eines Netzflüglers, ein Wasserinsekt mit schnappenden, rasiermesserscharfen Kiefern. Der Kopf des Ungeheuers war fast einen Meter breit, während der lange, segmentierte Körper, schlüpfrig von einem stinkenden Sekret, den Korridor hinter ihm zu füllen schien.
    »Tana sei Dank!« rief der Tanu. »Schnell, Mann! Ziel auf seinen Nacken!«
    Marshak hob den Bogen, trat zur Seite, um die an die Tür gepreßten Frauen nicht zu gefährden, und ließ den Pfeil fliegen. Der mit einer Glasspitze versehene Schaft drang fast in seiner ganzen Länge zwischen den Chitinplatten hinter den schnappenden Kiefern des Wesens ein. Marshak hörte das telepathische Gebrüll des Firvulags. Ohne Hast nahm er zwei weitere Pfeile und schickte sie in die glitzernden orangefarbenen Augen der Riesenlarve. Der Insektenkörper flimmerte, wurde immateriell und dann war das gräßliche Ding verschwunden, und ein Zwerg in schwarzer Obsidianrüstung lag tot auf dem Boden, Kehle und Augenhöhlen durchbohrt.
    Der Soldat benutzte sein Vitredur-Kurzschwert, um das verklemmte Schloß zu öffnen. Lustströme, mit denen der dankbare Fremde ihn belohnte, durchpulsten seine Beckennerven in der süßen, vertrauten Weise. Als der Edelmann und seine aufgelösten Gefährtinnen befreit waren, salutierte Marshak, indem er die rechte Faust aufs Herz drückte.
    »Ich stehe dir zu Diensten, Hoher Lord.«
    Der Fernsprecher erschauerte. »Wohin sollen wir nur gehen? Der Weg nach Haus Velteyn ist abgeschnitten!« Sein abwesender Gesichtsausdruck zeigte, daß er mit seinem geistigen Auge suchte.
    »Aber wir können auch nicht wieder hinein«, stellte mit scharfer Stimme die kleinste der Freudendom-Insassinnen fest, eine schwarzhaarige Schönheit mit exquisiten Formen. »Die verdammten Popanze kriechen aus dem Holzwerk!«
    »Oh, Lord Koliteyr«, quietschte eine tränenüberströmte Blondine. »Rette uns!«
    »Ruhe!« befahl der Tanu. »Ich versuche es aber es antwortet niemand auf meine Rufe!«
    Die dritte Frau, dünn, mit leeren Augen, das aufreizende Kleid halb von den knochigen Schultern gerissen, sank auf das Pflaster nieder und begann zu lachen.
    Koliteyr schnappte nach Luft. »Der Dom ist eingekreist! Ich rufe aber Lord Velteyns Ritter sind mitten im Schlachtgetümmel! ... Ha! Die Invasoren weichen der koerziblen Macht unserer Tanu-Kavallerie! Der Göttin sei Dank, es gibt viele, die stärker sind als ich!«
    Ein Scharren und Poltern kam aus dem Innern des Freudendoms. Ferne Schreie wurden lauter. Weiteres Glas zerbrach, und ein rhythmisches Hämmern setzte ein.
    »Sie kommen! Die ungeheuer kommen!« Die Blondine brach von neuem in hysterisches Schluchzen aus.
    »Soldat, du mußt uns führen ...« Der Tanu blickte finster. Er schüttelte den Kopf, als wolle er seine Gedanken klären. »Führe uns zum nördlichen Wassertor! Vielleicht ist da ein Boot ...«
    Doch es war zu spät. Durch den Garten, Blumenbeete zertrampelnd und Büsche knickend, stürmte eine Gruppe von etwa zwanzig Geringen. Ein halbnackter roter Mann von heroischer Gestalt führte sie an.
    Marshaks Hand blieb wie

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