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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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und holten Feldflaschen und Lunchpakete hervor. Gleich unter ihnen lag der Eliot-Gletscher des Hood. Im Norden, jenseits der Columbia-River-Schlucht, erhoben sich der Mount Adams und der ferne Rainier, beide schneegekrönt wie der Hood. Der symmetrische Kegel des Mount St. Helens, flußabwärts im Westen, sandte eine große graue Wolke aus Rauch und vulkanischem Dampf in die Luft.
    Majewski sagte: »Schön hier oben, nicht? Als Gen und ich Kinder waren, war der St. Helens kalt. Damals wurden in den Wäldern noch Bäume gefällt. Dämme sperrten den Columbia-River, so daß die Lachse flußaufwärts über Fischleitern klettern mußten. Port Oregon Metro wurde noch Portland und Fort Vancouver genannt. und es gab ein bißchen Smog und ein bißchen Überbevölkerung, wenn man da leben wollte, wo Arbeit zu haben war. Aber alles in allem war es ein schönes Leben hier draußen, sogar in der schlechten alten Zeit, als der St. Helens ausbrach. Erst ganz am Ende, kurz vor der Intervention, als der Erde die Energie ausging und die Techno-Ökonomie zusammenbrach, kamen auch über dies nordwestliche Land am Pazifik einige der Leiden, die die übrige Welt zu ertragen hatte.«
    Er zeigte nach Osten auf die trockenen Canons und das Hoch  Wüstengestrüpp des alten Lava-Plateaus unterhalb der Cascades.
    »Da draußen liegen die John-Day-Fossilienbetten. Gen und ich machten hier in unserer Studentenzeit die ersten Funde. Vor vielleicht dreißig oder vierzig Millionen Jahren war diese Wüste ein Land saftiger Wiesen und bewaldeter Hügel. Es war von vielen Säugetieren bevölkert: Nashörner, Pferde, Kamele, Oreodonten- wir nennen sie Krümelmonster und sogar Riesenhunde und Säbelzahntiger. Dann brachen eines Tages die Vulkane aus. Sie breiteten eine dicke Decke aus Asche und Geröll über alle diese östlichen Ebenen. Die Pflanzen wurden begraben und die Bäche und Seen vergiftet. Es gab pyroklastische Flüsse eine Art feuriger Wolke aus Gas, Asche und Lava-Stückchen die mit mehr als hundertfünfzig Kilometern die Stunde dahinrasten.«
    Langsam wickelte er ein Sandwich aus, biß hinein und kaute. Die Nonne sagte nichts. Sie nahm ihre Kopfbinde ab und benutzte sie, um sich den Schweiß von der breiten Stirn zu wischen.
    »Ganz gleich, wie schnell und wie weit diese armen Tiere rannten, sie konnten nicht entkommen. Sie wurden unter Ascheschichten begraben. und dann hörte die vulkanische Tätigkeit auf. Regen wusch das Gift fort, und die Pflanzen kehrten zurück. Nach einiger Zeit kehrten auch die Tiere zurück und bevölkerten das Land von neuem. Aber das gute Leben hatte keine Dauer. Die Vulkane brachen von neuem aus, und weitere Ascheschichten lagerten sich ab. Das geschah in den nächsten rund fünfzehn Millionen Jahren immer wieder und wieder. Das Sterben und die Wiederbevölkerung, der Todesregen und die Rückkehr des Lebens. So entstand da draußen Schicht auf Schicht mit Fossilien. Die John-Day-Formation ist mehr als einen halben Kilometer mächtig und darüber wie darunter gibt es ähnliche Formationen.«
    Während der alte Mann erzählte, saß die Nonne da und blickte auf das Tafelland im Osten. Ein Paar riesiger Kondore kreiste langsam in einer Thermik. unter ihnen folgte eine enggeschlossene Formation von neun eiförmigen Flugzeugen dem Lauf eines unsichtbaren Canons.
    »Die Aschenbetten waren mit dicker Lava bedeckt. Dann, nach weiteren Millionen Jahren, schnitten sich Flüsse durch den Stein und in die darunterliegenden Ascheschichten. Gen und ich fanden Fossilien entlang den Wasserläufen nicht nur Knochen und Zähne, sondern sogar Abdrücke von Blättern und ganze Blumen, die in den feinen Staub gepreßt waren. Die Aufzeichnungen einer ganzen Reihe von verschwundenen Welten. Überwältigend. Nachts liebten wir uns unter den Wüstensternen und betrachteten die Milchstraße im Sagittarius. Wir fragten uns, wie die Konstellationen für all diese ausgestorbenen Tiere ausgesehen haben mochten. und wieviel länger noch die arme alte Menschheit bestehen werde, bis sie ihr eigenes Aschebett bekomme und auf Paläontologen vom Sagittarius warte, die nach weiteren dreißig Millionen Jahren uns ausgrüben.«
    Er lachte vor sich hin. »Melodramatisch. Das gehört dazu, wenn man Fossilien in einer romantischen Umgebung ausgräbt.« Er aß den Rest des Sandwichs auf und trank aus der Feldflasche. Dann sagte er: »Genevieve« und schwieg lange Zeit.
    »War die Intervention ein Schock für Sie?« fragte Schwester Roccaro

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