Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
Vom Netzwerk:
die Augen begannen zu lodern, und weiche Haut liebkoste ihn, bis er in einen Abgrund so intensiver Lust fiel, daß sie ihn zerstören mußte. Sie rief: »Kannst du? Kannst du?«
    Er versuchte es. und er konnte nicht.
    Da verwandelte sich das süßatmende Licht in einen Wirbelsturm, der kreischte und fluchte und an ihm riß, nicht an seinem Körper, sondern an etwas, das sich um Gnade flehend hinter seinen Augen verbarg, ohne ein Wort sich bewußt, daß es Strafe verdiente. Erschöpft, der Lächerlichkeit preisgegeben, zu Boden geworfen und mit Füßen getreten, von Haß niedergeknüppelt, schrumpfte das formlose Ding zu immer geringerer Masse, bis es ein Fleck ohne jede Bedeutung war und schließlich in weißloderndem Schmerz verschwand.
    Richard erwachte.
    Ein Mann in einer blauen Jacke kniete zu seinen Füßen und machte sich an seinen Knöcheln zu schaffen. Richard war an einen schweren Sessel gefesselt. Er befand sich in einem kleinen Raum, dessen Wände aus schmucklosen grauen Kalksteinblöcken bestanden. Lady Epone stand vor ihm, die jadefarbenen Augen ausdruckslos, den Mund zu einem verächtlichen Lächeln verzogen.
    »Er ist soweit, Lady.«
    »Danke, Jean-Paul. Das Kopfstück bitte.«
    Der Mann brachte eine einfache Silberkrone mit fünf Spitzen und setzte sie Richard auf den Kopf. Epone wandte sich einem Gerät auf einem Tisch neben dem Sessel zu. Richard hatte es irrtümlich für eine mit Edelsteinen besetzte, komplizierte metallische Skulptur gehalten. Die kristallinen Teile des Apparats glühten schwach. Vielfarbige Lichter glommen auf und erloschen, was offensichtlich von einer Fehlfunktion herrührte. Epone schnippte mit Daumen und Zeigefinger ungeduldig gegen das größte Prisma, ein rosafarbenes Ding vom umfang einer Faust.
    »Ah bah! Funktioniert denn gar nichts an diesem verfluchten Ort? Da! Jetzt wollen wir anfangen.«
    Sie kreuzte die Arme und richtete den Blick auf Richard. »Wie lautet dein Vorname?«
    »Geh zum Teufel!« murmelte er.
    Ein schrecklicher Schmerz schien ihm die Schädelplatte abzuheben.
    »Bitte sprich nur, um meine Fragen zu beantworten! Gehorche meinen Befehlen auf der Stelle! Hast du verstanden?«
    Er sackte gegen die Sesselgurte und flüsterte: »Ja.«
    »Wie lautet dein Vorname?«
    »Richard.«
    »Schließ die Augen, Richard! Ich möchte, daß du, ohne zu sprechen, das Wort Hilfe aussendest.«
    Süßer Jesus, das war eine leichte Aufgabe! Hilfe!
    Die Stimme eines Mannes stellte fest: »Fernsprechen minus sechs.«
    »öffne die Augen, Richard!« befahl Epone. »Jetzt möchte ich, daß du aufmerksam zuhörst. Hier ist ein Dolch.« Sie zog von irgendwo aus ihrem Schleiergewand einen Dolch und hielt ihn ihm auf beiden Handflächen hin, deren milchige Weichheit nur von wenigen schwachen Linien durchzogen war. »Zwinge mich, mir diesen Dolch ins Herz zu stoßen, Richard! Räche dich an mir! Vernichte mich durch meine eigene Hand. Töte mich, Richard!«
    Er versuchte es. Er wollte den Tod dieser monströsen Hure. Er versuchte es.
    »Koerzibilität minus zwei«, meldete der Helfer, der hinter dem Sessel stand.
    Epone sagte: »Konzentriere dich auf das, was ich zu dir sage, Richard! Dein Leben und deine Zukunft hier im Exil hängen davon ab, was du in diesem Raum tust.« Sie warf den Dolch auf den Tisch, weniger als einen Meter von seinem gefesselten rechten Arm entfernt. »Laß das Messer hochsteigen, Richard. Schick es zu mir! Treib es mir in die Augen! Tu es, Richard!«
    Diesmal lag schrecklicher Nachdruck in ihrer Stimme, und er versuchte verzweifelt, ihr den Gefallen zu tun. Er wußte jetzt, was sich abspielte. Sie testeten ihn auf latente Metafunktionen diesmal auf Psychokinese. Aber er hätte ihnen gleich sagen können ...
    »PK minus sieben.«
    Epone beugte sich dicht über ihn, duftend, lieblich. »Verbrenne mich, Richard. Erzeuge Flammen mit deinen Gedanken und laß sie diesen Körper schwärzen und braten und zu Asche werden, diesen Körper, den du nie kennenlernen wirst, weil du kein Mann bist, sondern ein armseliger Wurm ohne Sex und Verstand. Verbrenne mich!«
    Aber er war es, der brannte. Tränen liefen ihm über die Wangen und blieben an seinem Schnurrbart hängen. Er versuchte sie anzuspucken, doch sein Mund war trocken und seine Zunge geschwollen. Er drehte den Kopf weg, weil er die Augen nicht zumachen konnte, um die blaue und primelgelbe Kälte ihrer Grausamkeit auszuschließen.
    »Kreativität plus zwei.«
    »Interessant, aber natürlich nicht gut genug. Ruh dich

Weitere Kostenlose Bücher