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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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erinnerte ihn an die weihnachtlich geschmückten Schaufenster, die er vor langer Zeit auf einer der extravaganteren Welten mit spanischem Erbteil gesehen hatte.
    Müßig dachte er darüber nach, welchen fremdartigen Begrüßungsrummel seine Gefährten im Augenblick unten bei der Tanu-Gesellschaft wohl genossen. Zweifellos würde er morgen alles darüber hören. Gähnend faltete er das Hemd zusammen ... und spürte das Päckchen Durofilm-Blätter, das er in die Brusttasche gesteckt hatte. Gr nahm sie heraus, und da war ihr Bild, schwach schimmernd in seinem eigenen Licht.
    Oh, Mercy.
    Haben sie dich genommen und zu einer der Ihren gemacht, wie sie es mit meinen Freunden zu tun versuchen? Dünne traurige Frau mit sehnsüchtigen meerestiefen Augen und einem Lächeln, das mich entgegen aller Vernunft gefangenhält! Ich habe dich nie singen gehört und deine Harfe spielen, aber in den Ohren meines Geistes erklingt das Lied:

    Die Dame, die vorüberkam,
    Ist süß und hold und wundersam.
    Nie ward mir solche Augenweid -
    Jetzt lieb ich sie in Ewigkeit.
    Ihr Blick, ihr Lächeln und ihr Gang,
    Ihr Geist, ihr Charme mein Herz bezwang.
    Weiß nicht, was ihr die Macht verleiht,
    Doch lieb ich sie in Ewigkeit.

    Ein tiefer, metallischer Ton erklang und riß ihn aus seiner schlaftrunkenen Träumerei. Es war der große Gong am Stadttor. Das Portal öffnete sich daraufhin und schien die aufgehende Sonne einzulassen.
    »O Gott!« flüsterte Bryan. Wie festgenagelt stand er da und beobachtete die heimkehrende Jagd.
    Gin Regenbogen ergoß sich die Hauptstraße der Stadt hinunter und nahm den gleichen Weg wie vor kurzem ihre Gruppe. Flammend und sich windend löste sich die Lichtkreatur in eine Prozession von prachtvoll berittenen Tanu auf, die mit der antiken Freude eines Karnevalszugs auf Novo Janeiro einhersprangen. Die Chalikos wie die Reiter strahlten von einem inneren Glanz, der ständig das ganze Spektrum hinauf- und hinunterlief. Die Jagd kam näher und näher und zog schließlich fast unter Bryans Fenster vorbei. Gr sah, daß die Teilnehmer Männer wie Frauen bizarre Rüstungen trugen, offenbar aus edelsteinbesetztem Glas, geschmückt mit Stacheln und Knöpfen und anderen dekorativen Auswüchsen, die ihnen das Aussehen diamantenverkrusteter humanoider Krebse gaben. Die Chalikos waren teilweise mit dem gleichen Material bedeckt und hatten leuchtende Steine auf ihren Stirnen. Hinter Tieren und Reitern flatterten bunte Bänder aus einem hauchdünnen Material her, von deren spitz zulaufenden Enden Funken aufstoben.
    Die Jagd vollführte einen triumphierenden Lärm. Die Männer schlugen mit glühenden Glasschwertern auf ihre von Juwelen glitzernden Schilde und erzeugten so ein melodisches Klingen. Einige der Frauen bliesen in eigentümlich gedrehte Hörner mit Tierkopfglocken, und andere sangen mit ihren mächtigen Stimmen aus voller Kehle. Nahe dem Ende des Zuges glühten sechs Reiter in einem einheitlichen Neonrot, sicher die Helden dieses besonderen Unternehmens. Sie hielten lange Lanzen hoch, auf denen die Trophäen der Nacht steckten.
    Abgeschlagene Köpfe!
    Vier der Köpfe hatten Ungeheuern gehört - ein Scheusal mit Fängen und Kehllappen schimmerte schwarz und feucht, ein Reptil mit Ohren wie Fledermausschwingen und einer Reihe noch zuckender Tentakel an den Wangen, ein Ding mit einem verzweigten goldenen Geweih und dem Gesicht eines Raubvogels, ein alptraumhafter Affe mit reinweißem Fell und apfelgroßen blinzelnden Augen.
    Die anderen beiden Köpfe waren kleiner. Bryan sah sie ganz deutlich, als die Prozession vorüberzog. Sie hatten zwei ganz normalen Menschen gehört, einem Mann und einer Frau mittleren Alters.

11
    Es war das unerwartete Wiederauftauchen eines alten Schmerzes, der Amerie endlich die Einsicht verschaffte.
    Die Knöchel, geschwollen von der langen Fesselung an die hohen Steigbügel, die gezerrten Muskeln an den Innenseiten ihrer Oberschenkel, die Horde von bösen Geistern, die ihr Rückgrat in der Kreuzgegend zwickten, die Krämpfe in Waden und Knien sie erinnerte sich an all das. Es war genau dasselbe gewesen, damals vor sechsundzwanzig Jahren.
    Ihr Vater hatte der Familie erzählt, auf einem Maultier in den Grand Canyon abzusteigen, werde ein wundervolles Abenteuer sein, eine Reise durch eine angeschnittene Schichttorte planetarer Geschichte. Nach ihrer Abreise zum fernen Multnomah würden sie alle gern daran zurückdenken und sich darüber freuen. und der Anfang war auch schön. Auf dem Weg nach

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