Das vierte Opfer - Roman
einiges.«
Oje! dachte Beate Moerk, als sie aus der Polizeiwache trat. Was für ein trostloser Haufen.
»Wie weit ist es bis zum Krankenhaus?« fragte Münster.
»Weit«, erklärte Moerk. »Wir nehmen deinen Wagen.«
24
Er sah sich um.
Nahm dann Platz an einem der freien Tische draußen auf der verglasten Terrasse, bestellte ein Glas Dunkelbier und faltete de Journaal auseinander.
Seufzte leise vor Zufriedenheit. Er ging nicht so oft ins Fisherman’s Friend.
Er trank ein paar tiefe Schlucke und begann dann zu lesen, was über den Fall in der Zeitung stand. Nicht ohne eine gewisse Zufriedenheit. An diesem fünften Tag nach dem letzten Mord reichte die Textmenge immer noch für gut zwei Seiten. Es gab nur wenige Neuigkeiten, die Theorien wurden immer absurder, und die Verschwiegenheit der Polizei begann langsam eine gewisse Verärgerung bei den Schreibern hervorzurufen. Inzwischen schwand offensichtlich das Vertrauen, daß sie dafür ihre Gründe hatte.
Möchte bloß wissen, ob das stimmt, dachte er und schaute auf den Hafen. Das möchte ich bloß wissen.
Ein einsamer Fischkutter stampfte dem offenen Wasser zu. Meer und Himmel hatten den gleichen Grauton, das Licht wollte sich an diesem Tag anscheinend gar nicht einstellen. Es sah trostlos aus.
Trostlos? Eine knappe Sekunde lang überlegte er, warum er gerade dieses Wort benutzte.
Er hatte drei Menschen getötet, und die Polizei hatte nicht die geringste Spur, soweit er das beurteilen konnte. Es wäre natürlich auch interessant gewesen, zu erfahren, was sie in den anderen Zeitungen schrieben, aber die waren ausverkauft gewesen. Aus leicht verständlichen Gründen, natürlich. Er trank wieder von seinem Bier und ließ die Würze die Tränen in die Augenwinkel pressen... nein, wenn er die Anzeichen richtig deutete, war er so sicher wie eh und je.
Nicht zu fassen und nicht zu strafen.
Zweifellos ein etwas merkwürdiges Gefühl, aber andererseits:
damit hatte er doch gerechnet – oder etwa nicht? Hatte er überhaupt mit irgend etwas gerechnet? Gab es ein Danach? Hatte er sich diese Zeit vorgestellt? Diesen sich in die Länge ziehenden Epilog, oder wie immer man das bezeichnen wollte?
Er beobachtete die Möwen, wie sie ihre Kreise zogen. Manchmal kamen sie so nahe, daß die Flügelspitzen fast das Fensterglas berührten... und plötzlich erinnerte er sich daran, wie er einmal genau hier gesessen hatte und eine direkt gegen die Scheibe geflogen war. In voller Fahrt, ohne abzubremsen. Die Sicht durchs Fenster war offensichtlich ganz frei gewesen, und der Tod an dem kalten Glas mußte eine vollkommene Überraschung für den armen Vogel gewesen sein. Ohne Vorwarnung und Vorahnung... genau wie der Axthieb, kam ihm in den Sinn, und er blieb eine Weile sitzen und dachte über diesen Vogel nach und über das Muster von Blut und Innereien, das er auf der Scheibe hinterlassen hatte und das er sich aus irgendwelchen Gründen noch genau ins Gedächtnis rufen konnte. Und dann dachte er an sie, deretwegen das hier alles vor sich ging... an sie, deren Tod in keiner Weise überraschend gekommen war, sondern eher wie eine überreife Frucht... und er dachte darüber nach, ob jetzt wirklich alles zu Ende war. Ob alles wiederhergestellt war, das Recht gesprochen, und ob es ihr in irgendeiner Weise möglich sein würde, ihm ein Zeichen zu geben. Und wie es wohl aussehen könnte ...
Sicher gab es nur einen Ort, der dafür in Frage kam.
Und was er mit dieser neuen Leere machen sollte, die ihn jetzt statt dessen erfüllte und die sich teilweise wie ein riesiges Vakuum in ihm anfühlte. Aufdringlich und fast unendlich. Obwohl sie in ihm begraben lag.
Ich habe eine Grube gegraben, um eine andere zuzuschütten, dachte er. Und die neue ist noch viel größer. Gib mir ein Zeichen, Gitte!
»Beeindruckender Ort«, sagte Van Veeteren und schaute sich um.
»Die Terrasse ist am besten«, sagte Kommissar Bausen. »Da meint man, über der Welt zu schweben.«
Van Veeteren setzte sich. Dachte einen Augenblick lang an die Blaue Barke. Hier oben war es ebenfalls recht menschenleer, aber vielleicht war das am Abend ja anders. Im Augenblick gab es nur einen einzelnen Herrn mit einer Zeitung am Panoramafenster und ein paar Damen mit Hut nahe beim Flügel. Ein schwarzgekleideter Kellner überreichte ihnen mit einer Verbeugung zwei in Leder gebundene Speisekarten.
»Ein Menü«, sagte Van Veeteren. »Heute bin ich dran. Bedien dich, damit es eine Weile reicht. Man arbeitet am besten mit
Weitere Kostenlose Bücher