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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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bewußt?«
    »Selbstverständlich«, sagte Bausen. »Bist du jetzt auch auf eine hausgemachte Verteidigung gegen die sizilianische Eröffnung gekommen? Das wäre nur einfach gut zu wissen.«
    »Du wirst schon sehen«, sagte Van Veeteren und leistete sich etwas, das offensichtlich als Lächeln gedacht war, Bausen aber eher an Zahnschmerzen erinnerte ...
    Nun ja, das Leben ist schließlich keine Schachpartie, dachte er und schaute aus dem Fenster. Eine Schachpartie enthält so unendlich viele Möglichkeiten.
    Er lag dunkel und menschenleer dort draußen, der Markt. Die Uhr zeigte ein paar Minuten nach elf, sie hatten eine Ein-Stunden-Partie verabredet, aber man konnte ja nie wissen ... die Schachuhr stand zu Hause im Bücherregal, und wenn sie nun eine interessante Konstellation hatten, hatte keiner von beiden Lust, sich von der Uhr unter Druck setzen zu lassen. Ganz im Gegenteil: es gab Konstellationen, die überhaupt nicht mehr weiterentwickelt werden konnten, das hatten sie bereits früher diskutiert und waren sich in dieser Frage verblüffend einig gewesen – Partien, die nach einem 35e- oder 50e-Zug eingefroren und nie beendet worden waren. (Wie Linkowski gegen Queller 1907 in Paris. Nach 42a. Oder Mikojan gegen Andersson 1980... In Brest war das doch gewesen?
Jedenfalls nach 35e oder 37e.) Der Schönheitswert war so groß, daß jede Fortsetzung ihm wie ein Frevel vorgekommen wäre.
    Genau wie es Augenblicke im Leben gab, an denen man sich wünschte, die Zeit würde für eine Weile stehenbleiben, dachte er. Obwohl natürlich nichts dafür sprach, daß das hier so eine Partie werden würde. Überhaupt nichts.
    Drei Tage? In drei Tagen würde er dieses Zimmer verlassen und nie wieder einen Fuß hineinsetzen.
    Das war ein sonderbares Gefühl, vorsichtig ausgedrückt, und er überlegte, wie sich diese Tage wohl gestalten würden. Wenn er Van Veeteren betrachtete, wie dieser auf der anderen Seite des Schreibtischs saß, eine Hand halb über dem Brett erhoben, gab es Stimmen in ihm, die ihm sagten, daß der Hauptkommissar tatsächlich sein Versprechen einlösen und den Henker bis Freitag stellen würde. Sich vorzustellen, wie das zugehen sollte, das fiel ihm schon schwerer. Aber es gab gewisse Zeichen bei seinem Kollegen, die gar nicht zu übersehen waren – eine zunehmende Entschlossenheit, eine Neigung zur Reizbarkeit, die vorher nicht dagewesen war, eine gewisse Geheimniskrämerei oder wie man es nennen wollte, die wohl darauf hindeuten mußte, daß er etwas auf der Spur war. Ihn zum Reden zu bringen, schien zwecklos. Kommissar Münster hatte auch angefangen, die Zeichen zu deuten, und erklärt, daß es nichts Ungewöhnliches war. Wohlvertraute Reaktionen eher, für den, der sie kannte, klare Hinweise darauf, daß etwas am Brodeln war und daß der Hauptkommissar mental gesehen im höchsten Gang fuhr. Daß es mit anderen Worten genauso war, wie Bausen geahnt hatte. Vielleicht waren sie kurz davor, daß das Eis brach, und er spürte, daß es ihn eigentlich gar nicht verwundern würde, wenn dieser mürrische Hauptkommissar im nächsten Moment alle Teile dieses schwer zu überschauenden Puzzles an der richtigen Stelle hätte.
    Ja, ja, dachte Bausen. Aber nur noch drei Tage. Ob die wirklich ausreichten?

    Wenn man es genau betrachtete, spielte der Zeitplan überhaupt keine Rolle, schließlich würde nur er am Freitag seinen Rückzug antreten ... dennoch war es ihm in den letzten Wochen immer häufiger so vorgekommen, als würde es sich hier um eine Art Wettlauf mit der Zeit handeln. Der Mörder sollte bis zum ersten Oktober gefaßt sein. So war es gesagt worden, und der erste war am kommenden Freitag.
    Am Freitag war er Pensionär. Exit Bausen. Ein freier Mann mit dem Recht, seine Zeit mit dem auszufüllen, was er wollte. Der sich einen Scheißdreck um alles, was Henker hieß, kümmern mußte und tun und lassen konnte, was er wollte ...
    Oder sollte an dieser berühmten Freiheit gar nicht soviel dran sein? Würde dieser Fall seine Schatten auch auf seine so sauer verdiente Zukunft werfen? Das war nicht auszuschließen. Er dachte an seinen Keller und dessen kostbaren Inhalt.
    Drei Tage?
    Er betrachtete Van Veeterens schwere Gestalt auf der anderen Seite des Tischs und stellte fest, daß er nicht die geringste Ahnung hatte, auf wen er wetten sollte, wenn ihm diese Frage gestellt werden würde.
    »Dein Zug«, wiederholte Van Veeteren und setzte die Flasche an den Mund.
     
    »Wie heißen Sie?« fragte Kropke und

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