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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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haben sie mir auch noch Igor Wolkow weggenommen.«
    Major Wolkow war bei der Abteilung Sondereinsätze gewesen, bis das Politbüro befunden hatte, daß gezielte Handstreiche zuviel Staub aufwirbelten und man die schmutzige Arbeit besser von den Bulgaren und den Ostdeutschen erledigen lassen sollte. Die Abteilung Sondereinsätze hatte sich dann mehr auf Sabotage verlegt.
    »Was ist seine Spezialität?«
    »Geheimtransport von Paketen über die Staatsgrenzen, vor allem in Westeuropa.«
    »Schmuggel.«
    »Sozusagen. Er ist gut. Er weiß besser als irgend sonst wer über die Grenzen in diesem Teil der Welt Bescheid, über Zoll- und Einreiseformalitäten und die Möglichkeiten, sie zu umgehen. Er wußte, sollte ich sagen. Denn jetzt ist auch er weg.« Karpow stand auf, beugte sich vor und legte beide Hände auf die Schultern des alten Mannes.
    »Starez, ich geb' Ihnen mein Wort, daß ich mit dieser Operation nichts zu tun habe. Ich habe nicht einmal davon gewußt. Aber uns beiden ist klar, daß es sich um eine ganz große Sache handelt und daß es gefährlich ist, darin herumzustochern. Bleiben Sie also auf dem Teppich, schlucken Sie die Kröten, und verdauen Sie die Verluste. Ich versuche unter der Hand herauszubringen, worum's geht und wann Sie Ihr Material wieder zurückbekommen können. Bis dahin bleiben Sie zugeknöpft, zugeknöpfter als eine georgische Börse, verstanden?«
    Borisow hob abwehrend die Hände, wie um seine Unschuld zu beteuern.
    »Sie kennen mich, Jewgenij Sergeiwitsch, ich werde einmal als der älteste Mann Rußlands sterben.«
    Karpow lachte. Er zog seinen Mantel an und ging zur Tür. Borisow begleitete ihn hinaus.
    »Sie sind dazu imstande«, sagte Karpow.
    Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, klopfte Karpow an die Scheibe des Fahrersitzes.
    »Folgen Sie mir mit dem Wagen, ich möchte noch ein bißchen Luft schnappen.« Er ging den verschneiten Pfad hinunter, ohne auf das Eis zu achten, das sich an seine Stadtschuhe und die Kammgarnhose klebte. Die frostige Nachtluft kühlte sein Gesicht und vertrieb die Wodkadünste. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf, um nachzudenken. Was er da erfahren hatte, war wirklich sehr ärgerlich. Irgend jemand, und er zweifelte kaum, wer das sein mochte, zog eine private Operation in England auf. Das bedeutete eine massive Mißachtung des ersten stellvertretenden Leiters des Ersten Hauptdirektorats. Zudem hatte Karpow so viele Jahre in England verbracht oder dort Agenten geführt, daß er dieses Land als sein ureigenes Reservat betrachtete.
    Während General Karpow in Gedanken versunken den Pfad entlangschritt, klingelte in einer kleinen Wohnung in Highgate, London, keine fünfhundert Yards vom Grabe Karl Marx' entfernt, das Telefon.
    »Bist du da, Barry?« rief eine Frauenstimme aus der Küche. Aus dem Wohnzimmer antwortete eine Männerstimme:
    »Ja, ich geh' hin.«
    Der Mann ging in die Diele und hob den Hörer ab, während seine Frau das Sonntagsdinner zubereitete.
    »Barry?«
    »Am Apparat.«
    »Verzeihen Sie, daß ich Sie an einem Sonntagabend störe. Hier spricht C.«
    »Oh, guten Abend, Sir.«
    Barry Banks war überrascht. Daß der Meister einen seiner Leute zu Hause anrief, war zwar kein unerhörtes, aber auch kein allzu häufiges Ereignis.
    »Barry, um wieviel Uhr kommen Sie normalerweise morgens in die Charles Street?«
    »Gegen zehn, Sir.«
    »Könnten Sie morgen eine Stunde früher weggehen und auf einen Sprung zu mir ins Sentinel kommen?«
    »Ja, natürlich. Gewiß, Sir.«
    »Gut, wir sehen uns dann bei mir gegen neun Uhr.«
    Barry Banks gehörte zur Abteilung K7 im Hauptquartier von MI5, aber er arbeitete zur Zeit bei MI6 als Sir Nigel Irvines Verbindungsmann zum Sicherheitsdienst. Beim Essen überlegte er vergeblich, was Sir Nigel Irvine wohl von ihm wollte und warum er ihn »außerdienstlich« angerufen hatte.
    Jewgenij Karpow bezweifelte nicht im leisesten, daß eine Geheimoperation im Gang war und daß sie England betraf. Petrofski war ein Experte, wenn es darum ging, sich mitten in England für einen Briten auszugeben; die Legende, die man Borisow abgeknöpft hatte, paßte haargenau auf Petrofski; der Sender Poplar war in den North Midlands verborgen. Wenn Wolkow wegen seiner Spezialität, dem Einschmuggeln von Paketen nach England, versetzt worden war, dann mußten auch noch andere Versetzungen vorgenommen worden sein, aus verschiedenen Direktoraten, die außerhalb von Borisows Machtbereich lagen.
    Das alles deutete unweigerlich auf die

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