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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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die Harte Linke in aller Ruhe einen Verband nach dem anderen, ohne daß dies die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder der Medien erregt hätte. Desgleichen, wie bereits erwähnt, quer durch die Gewerkschaftsbewegung. Neun der großen zehn und die Hälfte der übrigen siebzig Gewerkschaften gehören nun zur Harten Linken, und auch hier hält man sich bewußt viel mehr zurück als vor 1983.
    Kurz und gut, die ganze Labour Party wird nun von der Harten Linken beherrscht, entweder mittels Stellvertretern aus der Weichen Linken und der eingeschüchterten Mitte oder durch kurzfristig einberufene Dringlichkeitssitzungen der entsprechenden Ausschüsse; und weder das Fußvolk der Partei und der Gewerkschaften noch die Medien oder die breiten Massen der alten Labour-Wähler scheinen dies mitbekommen zu haben.
    Im übrigen betreibt die Harte Linke seit vierzig Monaten eine gleichsam generalstabsmäßige Vorbereitung für die kommenden Parlamentswahlen. Zur einfachen Mehrheit würde sie dreihundertfünfundzwanzig oder sagen wir dreihundertdreißig Sitze benötigen. Man darf davon ausgehen, daß sie zweihundertzehn davon so gut wie in der Tasche hat. Die anderen einhundertzwanzig, die 1979 oder 1983 oder in beiden Wahljahren verlorengingen, gelten als rückgewinnbar, und die betreffenden Wahlkreise wurden zu Zielgebieten erklärt.
    Das politische Leben in Großbritannien weist eine fast gesetzmäßige Eigenheit auf: Nach zwei vollen Legislaturperioden unter ein und derselben Regierung scheinen die Leute zu denken, daß es nun Zeit für einen Wechsel sei, selbst wenn die amtierende Regierung nicht eigentlich unbeliebt ist. Doch die Engländer werden nur dann wechseln, wenn sie dem, was sie dafür eintauschen, vertrauen können. Oberstes Ziel der Labour Party während der letzten vierzig Monate war daher die Rückgewinnung dieses Vertrauens, und sei es unter Verleugnung der eigenen Grundsätze.
    Laut den jüngsten Meinungsumfragen war diese Methode äußerst erfolgreich, denn der Abstand zwischen der Labour Party und den regierenden Konservativen ist auf ein paar Prozente zusammengeschmolzen. Wenn man bedenkt, daß nach dem britischen System achtzig »unsichere«, das heißt von knappen Mehrheiten abhängige Sitze, über den Ausgang einer Wahl entscheiden und daß über diese Sitze von den fünfzehn Prozent Wechselwählern in der einen oder anderen Richtung entschieden wird, dann hat die Labour Party eine Chance, nach den nächsten Parlamentswahlen wieder ans Ruder zu kommen.
    Der Wahlsieg der Labour Party allein würde jedoch nicht genügen, um England so zu destabilisieren, daß es reif für eine Revolution ist. Der siegreiche Parteiführer müßte vor seiner Vereidigung als Premier gestürzt und durch einen vorher ausgesuchten Mann der Harten Linken ersetzt werden. Dieser Linksextremist wäre dann der erste marxistisch-leninistische Premierminister Großbritanniens. Die Vorbereitungen zu dieser Wende sind bereits weit gediehen.
    Darf ich eine weitere Abschweifung machen, um zu erklären, wie der Parteiführer gewählt wird. Seit der Schaffung des Wahlausschusses auf Betreiben unserer Freunde von der Harten Linken ist die Prozedur wie folgt: Nach einer Parlamentswahl müssen die Nominierungen für den Posten des Parteivorsitzenden spätestens dreißig Tage nach der Vereidigung der Unterhausmitglieder getätigt sein. Während der darauffolgenden drei Monate können die rivalisierenden Kandidaten ihren Führungsansprüchen Nachdruck verleihen. Dann tritt der Wahlausschuß zusammen. Bei einer Labour- Niederlage könnte es zu einem Wechsel in der Parteiführung kommen; bei einem Sieg wäre jedoch ein Sturz des Premierministers undenkbar, denn während dieser drei Monate könnten die Massen landesweit zu seinen Gunsten mobilisiert werden.
    Letztes Jahr haben daher unsere Freunde auf dem Parteitag im Oktober eine »kleine« Reform durchgebracht. Bei einem Labour-Sieg würde der Labour-Chef umgehend bestätigt werden: Nominierungen für den Posten des Parteivorsitzenden müssen innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe des
    Wahlresultats vorliegen. Innerhalb weiterer vier Tage findet eine außerordentliche Sitzung des Wahlausschusses statt. Nach dieser Sitzung und der »Wahl« des Parteiführers ist zwei Jahre lang kein Einspruch erlaubt, wobei das laufende Jahr nicht zählt.
    Den Unschlüssigen, die gezögert hatten, die Reform zu unterstützen, wurde bedeutet, daß diese »Bestätigungsprozedur« eine reine Formalität sei. Niemand

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