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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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zu boxen. Kurz nach Mitternacht kamen die beiden Schläger vom Dachboden zurück.
    »Nix«, sagte einer.
    »Wer hat's denn dann, Louis?« fragte Blondie. Zablonsky wollte es nicht sagen, also droschen sie so lange auf ihn ein, bis er es doch tat. Als der Mann hinter dem Sessel ihn losließ, kippte Zablonsky vornüber auf den Teppich und rollte auf die Seite. Er wurde blau um die Lippen, die Augen quollen aus den Höhlen, und sein Atem ging in kurzen mühsamen Stößen.
    Die drei Männer sahen auf ihn hinunter.
    »Der kriegt 'n Herzklaps«, sagte einer neugierig. »Der geht uns ein.«
    »Hast 'n wohl zu fest verwamst, was?« sagte Blondie sarkastisch. »Los, raus jetzt. Wir wissen, wer's hat.«
    »Du glaubst, er hat's richtig ausgespuckt?« fragte einer der Schläger.
    »Yeah, er hat's schon vor einer Stunde ausgespuckt«, sagte Blondie. Die drei verließen das Haus, kletterten in ihren Lieferwagen und fuhren ab. Unterwegs, südlich von Golders Green, fragte einer der Schläger Blondie:
    »Also, was machen wir jetzt?«
    »Schnauze, ich muß denken«, sagte Blondie.
    Der mickrige Sadist sah sich gern als Herrn und Meister von Schwerverbrechern. In Wahrheit war seine Intelligenz beschränkt, und er wußte nicht recht weiter. Der Auftrag hatte gelautet: Geht zu dem Mann und holt gestohlenes Gut zurück. Aber sie hatten es nicht zurückgeholt. In der Nähe des Regent's Park sah er eine Telefonzelle.
    »Da drüben halten«, sagte er. »Ich muß mal wen anrufen.« Der Mann, der ihn angeheuert hatte, hatte ihm die Nummer einer Telefonzelle gegeben und drei verschiedene Zeiten genannt, zu denen er anrufen könnte. Bis zum ersten Termin fehlten nur noch ein paar Minuten.
    Beryl Zablonsky kam kurz vor zwei Uhr morgens von ihrem Samstagabendausflug zurück. Sie parkte ihren Metro auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schloß die Haustür auf, hinter der sie zu ihrer Überraschung noch Licht gesehen hatte.
    Louis Zablonskys Frau war ein nettes jüdisches Mädchen von einfacher Herkunft gewesen und hatte schon früh gelernt, daß es töricht und egoistisch ist, wenn man vom Leben zuviel erwartet. Vor zehn Jahren hatte Zablonsky die damals Fünfundzwanzigjährige in einem hoffnungslosen Musical in der zweiten Reihe der Revuegirls entdeckt und ihr einen Heiratsantrag gemacht. Er verschwieg ihr seinen Zustand nicht, aber sie nahm seinen Antrag trotzdem an.
    Seltsamerweise wurde es eine gute Ehe. Er war unendlich liebevoll und behandelte sie wie ein allzu nachsichtiger Vater. Sie hing zärtlich an ihm, fast wie eine Tochter. Er hatte ihr alles gegeben, was er zu geben hatte; ein schönes Haus, Kleider, Schmuck, Taschengeld, und sie war dankbar.
    Natürlich war da etwas, was er ihr nicht geben konnte, aber er war einsichtig und tolerant. Er stellte nur eine Bedingung: Er wollte keine Namen erfahren und keinen der Männer kennenlernen. Mit fünfunddreißig war Beryl eine Spur überreif, ein wenig auffällig, sinnlich und attraktiv in einer Art, die in jüngeren Männern Begehren auslöst, ein Gefühl, das Beryl herzlich erwiderte. Sie hielt sich ein kleines Apartment im West End für ihre Rendezvous und genoß sie ohne Gewissensbisse.
    Zwei Minuten, nachdem Beryl das Haus betreten hatte, stürzte sie tränenüberströmt zum Telefon und rief den Notdienst an. Sechs Minuten später war der Wagen zur Stelle, der Sterbende wurde auf einer Bahre abtransportiert, und es wurde alles getan, um ihn auf dem langen Weg zum Krankenhaus Hampstead-Free am Leben zu erhalten. Beryl fuhr im Ambulanzwagen mit.
    Auf der Fahrt kam Zablonsky einmal für kurze Zeit zu sich und bedeutete ihr, sie solle sich seinem blutenden Mund nähern. Mit Anstrengung vermochte sie die wenigen Worte zu verstehen, und sie runzelte verwirrt die Stirn. Diese Worte waren seine letzten gewesen. Als sie endlich in Hampstead eintrafen, gehörte Louis Zablonsky zu jenen Fällen, die während der Nacht als »auf dem Transport verstorben« eingeliefert wurden.
    Beryl Zablonsky hegte noch immer ein gewisses Faible für Jim Rawlings. Sie hatte einmal, vor sieben Jahren, eine kurze Affäre mit ihm gehabt, als er noch unverheiratet gewesen war. Sie wußte, daß seine Ehe inzwischen in die Brüche gegangen war und daß er allein im obersten Stockwerk eines Hauses in Wandsworth lebte. Seine Telefonnummer hatte sie früher so oft gewählt, daß sie ihr noch geläufig war.
    Als Rawlings an den Apparat kam, weinte Beryl noch immer, und in seiner Schlaftrunkenheit wurde ihm erst nach

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