Das vierte Protokoll
mehr strapaziert. Ein Jahr später war Julia ausgezogen und hatte Tommy mitgenommen. Preston wußte, daß sie mit ihrem Chef zusammenlebte, der alt genug war, um ihr Vater sein zu können, aber er vermochte ihr einen angemessenen Lebensstandard zu bieten und Tommy in ein Internat in Tonbridge zu schicken. Jetzt sah Preston den mittlerweile Zwölfjährigen nur noch selten.
Er hatte Julia die Scheidung angeboten, aber sie wollte keine. Nach dreijähriger Trennung hätte er die Scheidung auch ohne Julias Zustimmung durchsetzen können, aber sie hatte gedroht, gesetzlichen Anspruch auf Tommy zu erheben, da Preston nicht in der Lage sei, für den Unterhalt des Jungen und die Alimente aufzukommen. Sie erlaubte Preston, Tommy in den Ferien für je eine Woche zu sich zu holen und während des Schulhalbjahres an einem der Sonntage, an denen die Schüler des Internats Ausgang hatten.
»Ja, jetzt muß ich gehen, Bertie. Sie wissen, wo ich zu finden bin, wenn sich was Wichtiges tut.«
»Klar, ganz klar.« Bertie Capstick stapfte zur Tür und verabschiedete Preston.
»Passen Sie gut auf sich auf, Johnny. Von der alten Garde sind nicht mehr viele übrig.«
Mit diesen leichthin gesprochenen Worten trennten sie sich, und Preston ging wieder zurück in die Gordon Street.
Louis Zablonsky kannte die Männer, die am späten Samstagabend in einem Lieferwagen vorfuhren und jetzt an seiner Haustür klopften. Er war wie jeden Samstag allein daheim. Beryl war ausgegangen und würde erst in den frühen
Morgenstunden zurückkommen. Er vermutete, daß die Männer das wußten.
Er hatte sich den letzten Film im Fernsehen angeschaut, als es klopfte, und er dachte sich nichts dabei. Er öffnete, und sie stürmten in die Diele und schlossen die Tür hinter sich. Sie waren zu dritt. Im Gegensatz zu den vieren, die zwei Tage zuvor Raoul Levy heimgesucht hatten (wovon Zablonsky nichts wußte, da er keine belgischen Zeitungen las), waren sie angeheuerte Muskelmänner aus dem Londoner East End.
Zwei waren Rohlinge mit zerschlagenen Gesichtern, Unmenschen, die blindlings alles taten, wofür sie bezahlt wurden. Der dritte gab die Befehle; er war mickrig, pockennarbig und hatte schmutziges blondes Haar. Zablonsky kannte sie nicht persönlich; er kannte die Typen; er hatte sie in den Konzentrationslagern gesehen, in Uniform. Die Erkenntnis brach seine Widerstandskraft. Er wußte, daß es kein Pardon gab. Männer wie diese machten mit Leuten wie ihm immer, was sie wollten. E hatte keinen Sinn, Widerstand zu leisten oder sich aufs Bitten zu verlegen.
Sie stießen ihn ins Wohnzimmer und drückten ihn in seinen Sessel. Einer der großen Männer stellte sich hinter den Sessel, beugte sich vor und hielt Zablonsky eisern fest. Der andere stand daneben und rieb seine Faust in der Innenfläche der anderen Hand. Der Blonde zog sich einen Hocker vor den Sessel, setzte sich darauf und starrte den Juwelier an. »Schlag zu«, sagte er.
Der Schläger, der rechts von Zablonsky stand, versetzte ihm einen Schwinger. Er trug einen Schlagring. Der Mund des Juweliers zerplatzte zu einem Brei aus Zähnen, Lippen, Blut und Zahnfleisch. Blondie lächelte.
»Nicht dort«, schalt er milde. »Er soll doch reden, oder? Weiter unten.«
Der Rowdy landete zwei weitere Schwinger in Zablonskys Oberkörper. Ein paar Rippen krachten. Aus Zablonskys Mund drang ein schriller Klagelaut. Blondie lächelte. Er mochte es, wenn etwas zu hören war.
Zablonsky bäumte sich matt auf, aber er hätte es ebensogut unterlassen können. Die muskulösen Arme hielten ihn von hinten in seinem Sessel fest, genau wie ihn vor so langer Zeit in Südpolen ein anderes Paar Arme auf jenem steinernen Tisch festgehalten hatte, während der blonde Mann auf ihn heruntergelächelt hatte.
»Is die Strafe, Louis«, flüsterte Blondie. »Ein Freund von mir is bös. Er meint, Sie ham was, wo ihm gehört, und das will er wieder.«
Er sagte dem Juwelier, worum es ging. Zablonsky würgte an dem Blut, das ihm den Mund füllte.
»Ich hab's nicht«, krächzte er. Blondie überlegte eine Weile.
»Das Haus filzen«, befahl er seinen Kumpanen. »Er hat nix dagegen. Alles auseinandernehmen.«
Die beiden Schläger machten sich auf die Suche, Blondie blieb mit dem Juwelier im Wohnzimmer zurück. Die Arbeit war gründlich und dauerte eine Stunde. Die beiden durchstöberten jede Kammer und jeden Schrank, alle Schubladen, Winkel und Fugen. Blondie vergnügte sich inzwischen damit, den alten Mann in die gebrochenen Rippen
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