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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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am Schwarzen Meer. Der Generalsekretär jedoch hatte schon vor langer Zeit seine Sommerresidenz in Kislowodosk errichten lassen, einem Mineralwasserkurort im Kaukasus, der auf die Behandlung von Störungen im Abdominalbereich spezialisiert war.
    Philby hatte die Datscha des Generalsekretärs in Usowo noch nie gesehen. Als der Tschaika an diesem frostigen Abend schließlich hielt, sah Philby einen langen, niedrigen Bau aus Quadersteinen mit einem geschindelten Dach, der sich wie die Wohnung am Kutuzowskij-Prospekt durch skandinavische Schlichtheit auszeichnete. Drinnen war es sehr warm, und der Generalsekretär empfing sie in einem geräumigen Wohnraum, wo ein mächtiges Kaminfeuer die Hitze noch um einige Grade erhöhte. Nach den notwendigsten Formalitäten forderte der Generalsekretär Professor Krilow auf, die Überlegungen des Albion-Ausschusses vorzutragen.
    »Wie Sie sehen werden, Genosse Generalsekretär, haben wir darüber nachgedacht, auf welchem Weg mindestens zehn Prozent der britischen Wählerschaft landesweit zu zwei grundsätzlichen Reaktionen veranlaßt werden könnte: erstens zu einer massiven Erschütterung des Vertrauens in die konservative Regierung, und zweitens zu der Überzeugung, daß in der Wahl einer Labour-Regierung die besten Chancen für Zufriedenheit und Sicherheit liegen.
    Um die Suche nach diesem Weg zu vereinfachen, haben wir uns gefragt, ob es nicht eine Kernfrage gibt, welche die ganzen Wahlen beherrscht oder mit einiger Nachhilfe unsererseits beherrschen könnte. Nach reiflicher Überlegung sind wir alle zu dem Schluß gekommen, daß kein Wirtschaftsproblem - wie Arbeitsplatzverlust, Fabrikschließungen, zunehmende Automatisierung in der Industrie, Beschneidungen des Öffentlichen Dienstes - diese alles beherrschende Kardinalfrage bilden könnte, nach der wir suchen.
    Wir glauben, daß nur ein einziger Kernpunkt für unsere Zwecke geeignet ist: das größte, nicht mit der Wirtschaft zusammenhängende und am stärksten mit Emotionen befrachtete Problem, das es derzeit in Großbritannien und ganz Westeuropa gibt - die nukleare Abrüstung. Dieses Problem bewegt im Westen Millionen von Durchschnittsbürgern. Es ist der Ausfluß einer Massenfurcht, und diese Furcht sollten wir als
    Rammbock benützen; sie heimlich schüren und ausbeuten.«
    »Besondere Vorschläge?« fragte der Generalsekretär mit seidiger Stimme.
    »Sie kennen, Genosse Generalsekretär, unsere Bemühungen auf diesem Gebiet. Nicht Millionen, sondern Milliarden von Rubel sind ausgegeben worden zur Förderung verschiedener Gruppierungen von Atomwaffengegnern, die den Westeuropäern eintrichtern, der beste Weg zum Frieden führe über die einseitige nukleare Abrüstung. Unsere Bemühungen und die erzielten Resultate waren groß, doch sind sie nichts im Vergleich zu dem, was unserer Meinung nach nun versucht und erreicht werden sollte.
    Die britische Labour Party ist die einzige der vier für einen Sieg bei den nächsten Wahlen in Frage kommenden Parteien, die sich für einseitige nukleare Abrüstung einsetzt. Wir halten dafür, daß wir alles einsetzen sollten, finanzielle Mittel, Desinformation, Propaganda, um die schwankenden zehn Prozent der britischen Wählerschaft zu einer Änderung ihres Votums zu veranlassen, sie zu der Überzeugung zu bringen, daß eine Stimme für Labour eine Stimme für den Frieden ist.«
    Die Stille, in der sie auf die Reaktion des Generalsekretärs warteten, war fast mit Händen zu greifen. Schließlich sprach er:
    »Diese Anstrengungen, die wir acht Jahre lang machten und von denen Sie gesprochen haben, waren die denn erfolgreich?«
    Professor Krilow sah aus, als hätte ihn eine Luft-Luft-Rakete getroffen. Philby spürte die Stimmung des Sowjetführers und schüttelte den Kopf. Der Generalsekretär bemerkte die Geste und fuhr fort:
    »Acht Jahre lang haben wir in dieser Sache riesige Anstrengungen gemacht, um das Vertrauen der westeuropäischen Wählerschaften in ihre Regierungen zu destabilisieren. Heute sind zwar alle Bewegungen für einseitige nukleare Abrüstung so linksorientiert, daß sie auf die eine oder andere Art unter die Kontrolle unserer Freunde gekommen und in unserem Sinne tätig sind. Das hat uns eine Menge Sympathie und Einfluß eingebracht. Aber -«
    Der Generalsekretär ließ plötzlich beide Handflächen auf die Armlehnen seines Rollstuhls klatschen. Diese heftige Geste bei einem normalerweise so eiskalten Mann versetzte den vier Zuhörern einen Schock.
    »Nichts hat sich

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