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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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immer die Eitelkeit, die monumentale Selbstüberschätzung von unzulänglichen Menschen. Nunn May, Pontecorvo, Fuchs, Prime; typisch für sie alle war das selbstangemaßte Recht, Gott zu spielen, die Überzeugung, daß der Verräter allein recht hat und alle seine Kollegen Narren sind; ein rauschhafter Wille zur Macht, die aus dem erwächst, was der Verräter für eine Manipulation der Politik durch die Weitergabe von Geheimnissen hält, Zielen zuliebe, an die er glaubt, und zur Beschämung seiner angeblichen Gegner in der eigenen Regierung, all derer, die ihm bei Beförderungen und Verleihung von Ehrungen den Rang abgelaufen haben.
    »Hm. Sagen Sie, haben Sie aus eigenem Antrieb angefangen, oder hat Marais Sie dazu gebracht?«
    Berenson überlegte eine Weile.
    »Jan Marais ist Diplomat und steht daher außerhalb Ihres Machtbereichs«, sagte er. »Ich kann ihm also nicht schaden. Er hat mich dazu gebracht. Solange ich in Pretoria stationiert war, sind wir uns nie begegnet. Erst hier, kurz nach seiner Ankunft. Wir fanden, daß wir über vieles die gleichen Ansichten hatten. Er überzeugte mich, daß bei einem eventuellen Konflikt mit der UdSSR Südafrika in der südlichen Hemisphäre allein stehen würde und die lebenswichtigen Routen vom Indischen Ozean bis zum Südatlantik abdecken müsse, angesichts sowjetischer Stützpunkte quer durch ganz Schwarzafrika. Wir waren beide der Meinung, daß unser zuverlässigster Alliierter in diesen Breitengraden ohne einen Hinweis auf eventuelle NATO- Operationen in beiden Hemisphären völlig handlungsunfähig sein würde.«
    »Schlagendes Argument«, sagte Sir Nigel kummervoll. »Wissen Sie, nachdem wir Marais als Ihren Einsatzleiter ausgemacht hatten, habe ich das Risiko auf mich genommen und General Pienaar direkt auf diesen Namen angesprochen. Er leugnete, daß Marais je für ihn gearbeitet habe.«
    »Nun, was sonst.«
    »Natürlich, was sonst. Aber ich habe einen Mann hingeschickt, der General Pienaars Behauptung nachprüfen sollte. Vielleicht werfen Sie einen Blick auf seinen Bericht.«
    Er zog aus seiner Aktenmappe den Bericht, den Preston aus Pretoria mitgebracht hatte, mit dem an die erste Seite geklammerten Foto des jungen Marais. Berenson machte sich achselzuckend an die Lektüre der sieben Kanzleibogen. An einer Stelle zog er scharf die Luft ein, preßte die Faust an den Mund und fing an, an einem Fingerknöchel zu nagen. Als er die letzte Seite umgedreht hatte, bedeckte er sein Gesicht mit beiden Händen und wiegte den Oberkörper langsam hin und her.
    »Mein Gott«, stöhnte er, »was hab' ich getan!«
    »Eine ganze Menge Schaden angerichtet«, sagte Sir Nigel. Er ließ Berenson Zeit, sich über das ganze Ausmaß seiner Tat klarzuwerden. Ohne jedes Mitleid blickte er auf den völlig vernichteten Mann. Für Sir Nigel war er nur einer von diesen schäbigen kleinen Verrätern, die einen feierlichen Eid auf Königin und Land schworen und dann aus Besserwisserei beide verrieten. Ein Mann vom gleichen Schlag, wenn auch nicht vom gleichen Kaliber, wie Donald MacLean.
    Berenson war jetzt nicht mehr bleich, sondern aschgrau. Als er die Hände vom Gesicht nahm, schien er um Jahre gealtert.
    »Gibt es etwas, irgend etwas, was ich tun kann?«
    Sir Nigel zuckte die Achseln, als wolle er sagen, daß hier so gut wie niemand noch etwas tun könne. Er beschloß, das Messer noch ein paarmal in der Wunde umzudrehen.
    »Es gibt natürlich eine Gruppe von Leuten, die für eine umgehende Verhaftung sind. Von Ihnen und Marais. Pretoria hat seine Immunität aufgehoben. Sie kämen vor eine Jury handverlesener Geschworener mittleren Alters mit mittelständischen Ansichten, dafür würde der Kronrat sorgen. Anständige und geradlinige Leute. Die würden wahrscheinlich nie an eine Anwerbung unter falscher Flagge glauben. Und das bedeutet in Ihrem Alter Parkhurst oder Dartmoor für den Rest des Lebens.«
    Er ließ diese Aussicht einige Minuten lang einsickern. Dann fuhr er fort:
    »Ich hab' die Vertreter der harten Linie für eine Weile ausmanövrieren können. Es gibt noch einen anderen Weg..«
    »Sir Nigel, ich werde alles tun. Wirklich alles...«
    Wie wahr, dachte der Chef. Du ahnst gar nicht, wie wahr.
    »Drei Dinge, genau gesagt«, sagte er laut. »Erstens, Sie gehen wie immer ins Ministerium, verhalten sich, als sei nichts geschehen, die übliche Routine, die Wasserfläche muß spiegelglatt bleiben.
    Zweitens, Sie helfen uns hier in dieser Wohnung, nach Einbruch der Dunkelheit und wenn

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