Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
hoch.
»Soldatin, wie fühlst du dich mit der Maske?«
»Gut.«
»Liebst du die Armee?«
»Ja. Es ist hart, aber es ist eine wichtige Erfahrung und ich lerne sehr viel.«
»Liebst du dein Land?«
»Ja.«
»Wen liebst du mehr, deine Mutter oder deinen Vater?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, ich liebe beide gleich, aber auf unterschiedliche Weise.«
»Hast du Angst vor dem Tod?«
»Nein.«
»Nimm die Maske ab. Wenn du es nicht mehr aushältst, kannst du rauslaufen.«
Gali fummelt am Gummiband, um es zu lockern und die Maske abzusetzen. Ihre Wangen werden sofort hohl, als würde sie an einem platt gedrückten Strohhalm ziehen.
»Liebst du die Armee?«
Gali öffnet den Mund, will antworten, schließt ihn aber schnell wieder. Sie sabbert schon. Wieder öffnet sie den Mund, diesmal nur leicht, und grunzt ein »Jaah«.
»Liebst du dein Land?«
Gali legt sich die Hände zitternd an die Gurgel, wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Ahhh«, murmelt sie, und Rotz tropft ihr auf die Lippen. Sie rennt raus wie ein Storch.
Jetzt ich.
»Liebst du die Armee?«, fragt die Kommandantin.
»Ja und nein. Ich meine, ich glaube auf jeden Fall, dass es wichtig ist, in einem Land wie unserem Wehrdienst zu leisten, aber ich wünsche mir Frieden, und auf persönlicher Ebene bringt die Grundausbildung ganz eigene Schwierigkeiten mit sich, und außerdem –«
»Das reicht. Hast du Angst vor dem Tod?«, fragt sie. Sie überspringt zwei Fragen. Sie weiß, ich bin ein Problemfall, auch wenn ich bis jetzt kaum für Probleme gesorgt habe. Vielleicht ist ein Problem nichts, was man macht, sondern etwas, was man ist. Ich glaube, das hat Dan mal gesagt, aber was verstehe ich schon von dem, was er gesagt oder gemeint hat?
»Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod«, sage ich. Kurz und knapp. Genau, was sie hören will, und außerdem die Wahrheit.
»Nimm die Maske ab. Wenn du es nicht mehr aushältst, kannst du rauslaufen«, sagt die Kommandantin. Sie klingt anders als bei Gali. Zufriedener.
Ich nehme die Maske ab und im ersten Moment spüre ich nur, wie meine Kopfhaut schmerzt. Dann spüre ich das Feuer, das Brennen. Ich kann die Augen nicht öffnen. Ich atme nicht mehr durch die Nase. Aber ich öffne den Mund, das ja.
Und ich rede. Ich habe so lange gewartet. Das ist die Gelegenheit. Solange ich kurz vorm Ersticken bin, darf ich das. Yael und Lea sind nicht da, um mich mit ihrem Geplapper abzuwürgen. Von meiner Familie ist auch keiner da, der mich ignorieren kann. Meine Worte dienen einem Zweck. Meine Worte und Tränen sind eine Angelegenheit der nationalen Sicherheitspolitik. Ein Teil unserer Ausbildung. Dadurch bin ich auf einen Angriff mit nicht-konventionellen Waffen vorbereitet. Ich könnte das ganze Land retten, so gut bin ich vorbereitet. Mein ganzer Kopf brennt, aber die Worte purzeln mir nur so aus dem Mund, sie schmecken nach Bananen, und es kommen immer mehr.
Meiner Kommandantin gehen die ursprünglichen vier Fragen aus. Sie muss sich eine neue ausdenken.
»Was ist deine früheste Erinnerung?«, fragt sie. Das haben sie gefragt, bevor jemand genial genug war, sich die Mama-Papa-Frage auszudenken.
Ich gehe nicht von allein. Sie befiehlt es mir.
Ich rede und rede und rede.
Ich glaube, so lange wie ich war noch nie ein Soldat im Tränengaszelt.
Erst draußen bekomme ich keine Luft. Ich kann die Augen nicht öffnen, und obwohl ich das gar nicht will, rennen meine Füße los, von ganz allein, werden immer schneller. Ich schmecke Blut auf der Zunge, Blut aus meiner Nase, und mein Hals brennt, als würde man mir kochendes Öl eintrichtern. Meine Gesichtshaut ist wie mit Sandpapier bearbeitet. Ich renne immer weiter, bis zwei Arme mich im Flug einfangen und sehr lange halten. Als ich durch das Wasser in meinen Augen endlich wieder hindurchsehen kann, sehe ich, worauf ich zugerannt bin: die Klippe. Die Arme waren die meiner Kommandantin. Sie hat mich vor dem Absturz bewahrt, meine Kommandantin, das war ihre Aufgabe.
Sie sind überzeugt, ich hätte gemogelt, auch wenn sie sich beim besten Willen nicht erklären können, wie ich das angestellt haben soll. Sie sagen, ich wäre über zweieinhalb Minuten in einem Zelt voller Tränengas geblieben und dass das schier unmöglich wäre und irgendein fauler Trick dahinterstecken müsse. Es hat sich angefühlt, als hätte ich länger geredet. Ich hatte das Gefühl, ich wäre da drinnen alles losgeworden, fast alles.
Nachdem ich mich umgezogen habe, muss ich zum
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