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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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sozioökonomisch auszubauen oder so was, und du hast einen hervorragenden Abschluss.«
    »Das heißt, dass es dort nur Analphabeten gibt. Ich gehe nicht. Ich sehe nicht ein, zwei Jahre meines Lebens damit zu vergeuden, dass ich an einem Busbahnhof Soldaten mit gelben Socken eintrage und melde«, sagte ich. Ich hatte Angst, meine eigene Selbstsicherheit schüchterte mich ein. Das war mein erster Tag als Soldatin. Ich war achtzehn und trotzig. Nach dem Schulabschluss, als keine Mädels mehr da waren, zu denen ich hätte fies sein können, las ich viel und schaute anspruchsvolle amerikanische Fernsehserien: The West Wing und Sex and the City . Ich hatte einfach Glück, dass ich zufällig als Letzte eingezogen wurde.
    »Hör mal, wenn du dich weigerst, muss ich dich für ein paar Wochen ins Gefängnis werfen, das wird dann auf die obligatorische Wehrdienstzeit draufgeschlagen, und wenn du dann rauskommst, stecke ich dich trotzdem zur Militärpolizei.«
    »Ich gehe nicht. Ich gehe nicht.«
    »Zur Militärpolizei gehört mehr als nur die üblichen Verwarnungen wegen unangemessener Dienstkleidung. Das ist sogar eine wirklich wichtige Funktion. Verschiedene Soldaten haben verschiedene Aufgaben. Es wird dir gefallen, versprochen.«
    »Aber ich gehe nicht«, sagte ich. Als ich es sagte, glaubte ich daran.
    »Oh, und ob du gehst«, sagte die Beamtin.
    »Nein.«
    »Deine Eltern werden nie mehr mit dir sprechen.«
    »Nein.«
    »Keiner wird dich einstellen.«
    »Nein.«
    »Du wirst es bereuen.«
    »Aber ich gehe nicht.«
    Letztlich ging ich, weil die Einplanerin schon lange vor mir wusste, dass ich gehen würde. Weil sie wusste, dass von Anfang an klar war, dass ich gehen würde.

    Eigentlich war nichts Besonderes an Fadi, dem Mann, der mir an dem Tag auffiel, zumindest glaubte ich das, bis ich hinsah, stockte und scharf nachdachte. Ich hatte seit ein paar Monaten nicht mehr scharf nachgedacht, darum war es ungewohnt.
    Er war einer der Ersten, die mir an diesem Morgen ihre Ausweise zeigten. Er zog den Kopf ein, lief durch das Gerät und legte seinen Ausweis auf die Betonabsperrung. Einen grünen. Dem Ausweis nach hieß er Fadi. Die weiße Genehmigung lag in seinem Ausweis. Sie hatte braune Flecken, aber es war die richtige Genehmigung, die Genehmigung für Bauarbeiter, die einzige neben den Aufenthaltsgenehmigungen für medizinische Behandlungen, die wir an unserem Checkpoint annehmen durften. Ich zeigte auf seinen Plastikbeutel.
    »Was ist da drin?«, fragte ich.
    »Was da drin ist? Was soll da drin sein? Essen. Pita«, sagte Fadi. Bei den Vokalen überschlug sich seine Stimme.
    »Kann ich mal sehen?«, fragte ich und machte eine entsprechende Handbewegung. Ich kontrollierte nie alle Taschen. Ich war dazu angehalten, Stichproben zu machen, also kontrollierte ich jeden Dritten oder Fünften, aber auf einmal wollte ich nicht, dass dieser Mann ging. Er hatte irgendwas an sich. Seine Kleidung war normal – ein billiges altes Button-Down-Hemd, das ihm Würde verleihen sollte, seine Tristesse aber nur verstärkte, mit einem Kragen, der das erschöpfte und schlecht rasierte Gesicht verspottete.
    Er hatte dunkle Ränder unter den Augen und Haare in der Nase. Er roch nach Schweiß und Aftershave. Eigentlich war er wie die anderen auch, aber die Art, wie er dastand, hatte eine gewisse Dringlichkeit. Er wollte nicht hier sein. War fast nicht da, war es aber doch. Den Plastikbeutel umklammernd, war er fast nicht da, war es aber doch, und ich merkte, wie meine Augen flackerten.
    »Kann ich mal sehen?«, fragte ich noch mal. Ich weinte, aber es war ein rein mechanisches Weinen, es kam von der Erschöpfung und dem peitschenden Wind. Ich weinte ständig, aber nur mechanisch. Der Mann, Fadi, hielt den Beutel immer noch fest, und ich hatte fest beschlossen, dass ich in dieser Nacht schlafen und von ihm träumen würde. Er hatte irgendetwas, und dieses Etwas würde mir beim Einschlafen helfen.
    Fadi drehte den Plastikbeutel um, schüttete ihn aus, und die Brote fielen wie Blätter in den Sand. Es war nicht das erste Mal, dass ein Mann aus meiner Schlange das tat, aber wie er es tat, war anders, es zeigte, wie sehr ihn meine Aufforderung kränkte. Das war mehr als eine Geste. Ich sah, wie Yaniv hinter ihm den Kopf zum Autofenster eines der Palästinenser reinsteckte und sich kurz mit ihm unterhielt. Und zwar unterste Schublade, da war ich sicher.
    »Da, nimm. Ich muss nichts essen. Nimm es und werd glücklich«, sagte Fadi, nahm den Ausweis von

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