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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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nicht.«
    »Wenn du nicht gehst, verlasse ich dich. Dann verlasse ich dich und keiner aus der Familie wird es mir übel nehmen, und du wirst einsam sterben.«
    »Ich gehe nicht.«
    »Oh, und ob du gehst«, sagte seine Frau und schaute rüber zum Nachbarhaus, wo Licht brannte, und weil sie wusste, dass er nachgeben würde, gab er nach und ging.
    Ich merkte, wie mich der Schlaf streifte, wieder ging, wieder streifte und fast blieb. Es fiel schwer, unter der Decke zu atmen. Ich hörte die Mädchen draußen reden, und ich roch den Zigarettenqualm und ihr Shampoo. Das Wort »Kalorien« fiel oft und auch »und das ist richtig übel«.
    Ich wollte mir ausmalen, was Fadi in diesem Augenblick wohl machte, nicht etwas, was in der Vergangenheit lag, und entschied mich dafür, dass er mit Nur stritt. Dass er sie anschrie, während sie ihm Pitas mit Okra und Hummus für den nächsten Morgen machte. Dass er immer noch sagte, er würde nicht gehen. Dass Nur, die wunderschöne Nur, ihn die ganze Zeit nicht mal ansah, aber als er sagte, sie sei der Teufel, schmiss sie die belegten Brote in den Müll und lief an ihm vorbei aus der Küche raus, und Fadi wünschte sich bloß, sie würde eine Sekunde lang seine Schulter berühren, aber Nur ging an ihm vorbei ins Schlafzimmer, und Fadi schlief auf dem Küchenboden ein, den Kopf auf Nurs Jacke, die er vom Haken neben der Tür genommen hatte, neben der Tür, der verschlossenen Tür, der Tür, die verschlossen war …
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich müde, aber nicht so müde wie sonst.
    Die Fahrt zum Checkpoint bestand in der Regel aus allen Qualen, die Bewegungen nur verursachen können. Atemzüge und Stöhnen, die Schleier vor unseren müden Augen wurden durcheinandergewürfelt. Ich wurde aus meinen Träumen gerissen und stieg sofort in den gepanzerten grünen Transporter mit den winzigen vergitterten Fenstern und der dicken Metallverkleidung. Während der Transporter an den von uns besetzten Gebieten vorbeirauschte, ruckelte mein Kopf hin und her, rumste gegen die Wand und schmerzte. Am Ende der Fahrt erwarteten mich nur Männer, eine Schlange Männer, diese vielen Männer, die auf mich warteten und insgeheim tobten.
    An dem Morgen, an dem ich nicht so müde war, an dem Morgen, nachdem ich das erste Mal von Fadi geträumt hatte, war die Fahrt fast eine normale, angenehme Fahrt. Fast, ich schwör’s.

    Ich sagte wieder Nein, als Yaniv mich bat, eine Weile die Autos zu übernehmen, und dann meinte er, ein Schwanz sei wie ein Bumerang.
    »Ein Schwanz ist wie ein Bumerang«, sagte er. Er kaute Kaugummi und sah aus wie eine dumme Kuh, obwohl er ein Junge war. »Verstehst du das?«
    »Nein«, sagte ich. »Versteh ich nicht.«
    »Du weißt aber, was es heißt, wenn man sagt, du kannst meinen Schwanz lutschen, oder?«, fragte Yaniv. »Das heißt, dass dir der andre egal ist.«
    Ich hatte diese Wendung noch nie gehört. Es gab viele Ausdrücke, die ich vor meiner Zeit bei den Wachleuten noch nie gehört hatte. Hypercool, Kiff Zero Zero, so viele hirnverbrannte Wörter.
    »Tja, genau genommen bist du mir auch egal«, sagte ich.
    Das stimmte. Ich hasste ihn, und an einem Morgen wie diesem, wenn ich nicht ganz so müde war, hasste ich ihn sogar noch mehr als mich. Ich hasste es, wie er Kaugummi kaute, wenn er die ihm bekannten Leute in den Autos mit einem High five begrüßte. Ich hasste es, wie er allen Mädchen, die ihn ließen, Küsschen auf die Wangen gab. Ich hasste sein Parfüm und dass er sich die Augenbrauen zupfte. Ich hasste es, dass er einen riesigen goldenen Davidstern um den Hals trug, Mizrahi-Musik vor sich hinsang und immer seine Scherze darüber machte, wie sehr er unsere Vorgesetzten und sein blaues Barett hasste, und dass das wohl sein Scheißschicksal wäre. Ich hasste es, dass er lächelte und ich ihn, obwohl er immer rumjammerte, manchmal dabei erwischte, wie ihm die Arbeit Spaß machte – er genoss es, sich vorzubeugen und den Kopf zu den Autofenstern reinzustecken und die Fahrer vollzulabern, er verstand den Unterschied zwischen Furcht und Ehrfurcht nicht, oder er verstand ihn und es war ihm egal. Er reckte den Hals, als wäre es ganz leicht.
    »Ja, und genau darum ist ein Schwanz wie ein Bumerang. Wenn du jemanden wie einen Lutscher behandelst, bekommst du das genauso wieder vor den Latz geknallt«, sagte Yaniv.
    Als ich später sah, wie er lächelte und sich zu einem Autofenster runterbeugte, überlegte ich, ihn anzuschwärzen. Jeder würde mich dafür

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