Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
Vom Netzwerk:
hasste, wie unordentlich ich aussah, wie ein Kind in einer viel zu großen grünen Uniform, das in einer Fantasiewelt spielte. Ich hasste es, dass meine Brüste so groß waren, dass sie sich unter allem abzeichneten, ganz egal, was ich anhatte, obwohl ich eine kugelsichere Weste trug und wie ein bewaffnetes Kind aussah. Ich hasste so vieles, was ich gesagt hatte – ein paar Lügen, die ich vor langer Zeit betrunken auf einer Schulparty erzählt hatte, als ich in der zwölften Klasse war, auf einer Party, die ich hätte abbrechen sollen, aber nicht abgebrochen habe. Aber am meisten hasste ich das allnächtliche dumme Geplapper von mir und den äthiopischen und marokkanischen Mädels aus meiner Einheit draußen vor unseren Containern, bei dem wir unser Leben in die Enge der Nacht hinausrauchten. Sie waren schlimmer als die Mädchen in der Schule.
    Das Aufwachen war jeden Morgen eine Tragödie, als ob man die eigene Mutter umgebracht hatte, oder seine Jungfräulichkeit einem Jungen geschenkt hatte, der nur einmal mit einem schlief, und was man getan hatte, merkte man erst, wenn man gezwungen war, die Augen zu öffnen. Die Wände hämmerten auf meine Augen und den Kopf und den Hals, als würde ich in einem weißen glänzenden Gettoblaster aufwachen. Dabei stand ich nie sehr auf Musik. Ich hätte unendlich viel, ja, alles gegeben, um schlafen zu können, zumindest glaubte ich das. Aber dann vergaß ich jeden Abend, wie viel ich gegeben hätte, und bekam Angst vor dem Bett, in dem sich jeden Morgen diese Tragödie abspielte. Ich schlief erst ein, wenn ich todmüde war.
    Wenn ich könnte, würde ich das blaue Barett auf meinem Kopf verbrennen. Aber es war auf meinem Kopf.
    Mehr Männer. Mehr Männer. Mehr Männer.
    An dem Tag wollte ich sagen, dass es mich nur einmal gab, und verlangen, in meine schäbigen Träume zurückkehren zu können, aber meine Schicht fing an. Die Tore wurden geöffnet und das Metall drehte sich, die Männer gingen durch das Gerät, das grün oder rot aufleuchtete, und dann standen sie vor der Betonabsperrung, die mich und die anderen vier Soldaten bei der Pass- und Rucksackkontrolle schützte.

    Sarit, meine große Schwester, hatte gesagt, wenn ich nur entschieden genug wäre, würde der Einplaner nachgeben. Ich müsste nur sagen, »ich gehe nicht, ich gehe nicht, ich gehe nicht«. Sie warnte mich extra vor der Zuteilung zur Militärpolizei, das wäre das Schlimmste, wenn sie mich da hinstecken und zwingen würden, ein grässliches blaues Barett aufzusetzen. Kein anderer Soldat würde je mit mir reden, weil alle das blaue Barett sehen würden und Angst hätten, dass ich befugt war, sie einzutragen und zu melden, weil sie statt eines schwarzen oder olivgrünen Haargummis ein rotes benutzten, oder weil sie die Alltags-Uniformjacke über der Dienstuniform trugen, oder weil sie beim Überqueren der Straße Kopfhörer aufhatten, oder wegen allem möglichen anderen sinnlosen Scheiß, den Soldaten der Militärpolizei melden sollten.
    Ich sagte, sie solle den Mund halten. Da sagte meine Schwester, wer bei der Militärpolizei lande, sei ein Idiot. Sie sagte, es gäbe auch andere Posten beim Militär, vor denen man sich hüten solle, und natürlich war das Beste das, was sie war, Ausbilderin bei den Fallschirmjägern, und ich sagte ihr, sie solle den Mund halten.
    »Vielleicht behaupten sie, dass sie dich einsperren. Dass dich danach keiner einstellen wird. Dass Mama und Papa dann nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. Dass du nie einen Freund haben wirst. Dass du als Obdachlose enden wirst. Egal, was sie behaupten, sag einfach, ›ich gehe nicht, ich gehe nicht, ich gehe nicht‹ und dann werden sie dich schon irgendwo anders unterbringen, und –«
    »Halt. Den. Mund!«, sagte ich.
    Am Tag meiner Einberufung legt die Einplanerin in ihrem Büro schon los, bevor ich mich überhaupt setzen konnte.
    »Militärpolizei«, sagte sie. Natürlich hat sie genau das gesagt. Was denn sonst. »Das ist das einzige Trainingslager für die Grundausbildung, für das wir diese Woche noch Plätze haben.«
    »Ich gehe nicht«, sagte ich.
    »Das sagen alle«, sagte sie und verschränkte die Arme. Sie grinste.
    »Ich gehe nicht. Ich bin klug. Ich habe einen guten Abschluss. Ich kann übersetzen.«
    »Ich habe keine freien Plätze beim Nachrichtendienst, ich habe nur die freien Plätze, die sie mir zuteilen, und jetzt ist nur noch die Militärpolizei übrig. Außerdem versuchen sie, die Einheit auszubauen, sie

Weitere Kostenlose Bücher