Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
Vom Netzwerk:
meinen sonnengejagten Träumen, von innen eiskalt, war ich erst in Vegas, dann in Bel Air, dann auf der Brücke, auf der die Full-House -Mädchen fuhren. Als ich die Augen öffnete, war ich die Einzige, die noch auf dem Beton lag, und Ari stand am Eingang zu den Frauenunterkünften.
    Ehrlich! Ich schwör’s.
    »Ich brauch’ Hilfe«, sagte er. Es gab etwas, wovor Ari Angst hatte. Er hatte Angst vor der Übung »bewegliche Ziele«.
    Als Waffenausbilderin war ich naturgemäß ein Fan der Bewegliche-Ziele-Ausbildung. Das Ganze klang schlimm, war es aber nicht. Die Soldaten auf der anderen Seite der Schusslinie liefen in einem Graben auf und ab. Die Zielscheibe war an zwei Stöcken festgemacht, sodass sie die Zielscheiben hochhalten konnten, die Arme aber nicht aus dem Graben guckten. Sie trugen Schutzbrillen, Helme und kugelsichere Westen. Ari und ich kommunizierten über Funk und hatten ein Code-Wort, bei dem er und die Soldaten aus dem Graben klettern und mit den schießenden Soldaten die Position tauschen konnten. Der Graben war im letzten Jahr ausgehoben worden, sodass Ari diese Übung zum ersten Mal durchführte, aber ich wusste, dass er sich gut schlagen würde. Als Waffenausbilderin glaubte ich an diesen Drill. Wenn man auf jemanden schoss, bewegte der sich höchstwahrscheinlich, es war also wichtig, genau das zu üben. Aber Ari hatte nicht ganz unrecht. Es war schon etwas verrückt oder zumindest hätte es verrückt klingen können, wenn ich nicht die Grundausbildung als Waffenausbilderin gemacht und gelernt hätte, dass ich als Waffenausbilderin Fan dieser Übung zu sein hatte.
    »Ich meine, mal ernsthaft, bei dem ganzen Geld, das die Armee für Eis und Lutscher ausgibt, muss ich meinen Soldaten da wirklich beibringen, auf bewegliche Ziele zu schießen, indem ich der Hälfte von ihnen einen Stock mit einer Zielscheibe aus Pappe in die Hand drücke und sie hinter die Schusslinie schicke?«, meinte Ari an dem Tag.
    Also sagte ich, wir könnten ja erst mal zu zweit üben.
    Ich dachte, es wäre eine gute Idee, erst mal so zu üben. Die meisten Beduinen konnten nur wenig Hebräisch und stritten nur allzu gern, wobei sie dann versuchten, sich gegenseitig in die Fußknöchel zu beißen, es war also definitiv gut, vor der Zusammenarbeit mit ihnen zu üben.
    Ari und ich liefen auf dem Kiesweg zu dem Schießstand mit dem Graben. Unterwegs erzählte Ari, dass man ihn von seiner regulären Einheit abgezogen hatte, damit er aus den Fährtenleser-Beduinen Soldaten machte, und dass er fand, allein dafür hätte sich die Einwanderung nach Israel gelohnt. Er sagte, Fährtenleser liefen immer an der Spitze einer Armee, um nach Spuren zu suchen, und gingen in einem Krieg schnell drauf, schneller als alle anderen. Er sagte, das wären Jungs, die wissen mussten, wie man kämpft, und wenn sie das nicht wüssten, würde er die Verantwortung dafür tragen.
    »Glaubst du, dass sie wirklich allein vom Hinsehen wissen können, was in einer Sanddüne passiert ist?«, fragte ich ihn.
    Er sagte, dieser Teil läge nicht in seiner Verantwortung. Beduinen wüssten von klein auf, wie man Spuren zu lesen hätte. Sie hätten Älteste, die ihnen wie professionelle Ausbilder beibrächten, an dieser Fähigkeit zu arbeiten.
    »Aber ich glaube, dass sie gut sind«, sagte er. »Sie sagen, ein guter Fährtenleser weiß noch in zwei Jahren, dass du heute auf diesem Hügel gestanden hast.«
    Als wir beim Schießstand ankamen, legte mir Ari die Hand auf die Schulter, bevor er dann hinter die Schusslinie lief. Mit Helm, Schutzbrille, Funkgerät und allem kletterte er in den Graben. Er hielt eine Zielscheibe hoch und nur die konnte ich sehen. Ich überprüfte genau, ob auch ja kein Millimeter seines Körpers aus dem Graben schaute. Ich war hinter der Schusslinie.
    Ich schoss auf seine Zielscheibe. Und gleich noch mal.
    Aber Ari lief nicht schnell genug. Ein paar Mal verließ ich meine Position, um ihm über Funk zuzuschreien »schneller, viel schneller«, aber es half nichts. Mit den ersten acht Schüssen schoss ich ein halbes Herz in die Stelle, wo das Herz des aufgemalten Soldaten gewesen wäre. Dann kam mir eine Idee. Ich fragte mich, warum auf unseren Zielscheiben immer Soldaten in grünen Uniformen abgebildet waren, wir also die ganze Zeit auf uns selbst schossen. Der nächste Schuss traf den Kopf. Die Nase. Dann das rechte Auge. Wie immer schloss ich nach jedem Schuss die Augen, leerte meine Lunge und visierte neu an. Als ich das rechte Auge

Weitere Kostenlose Bücher