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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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sondern nur das, was uns erlaubt ist.«

    »He, wie kommt’s, dass du so früh da bist?«, fragte Tom Oleg, den Russen, der am Verbindungstelefon zwischen der ägyptischen Armee und dem Generalstabschef der israelischen Armee die Nachtschicht übernahm.
    »Tja, der Bus ist früher angekommen, da hab ich gedacht, ich erspar dir die letzten fünf Minuten«, antwortete Oleg.
    Tom bewunderte wirklich, was für ein großes Herz die Russen manchmal hatten. Freiwillig würde er keine einzige Minute länger machen. Er stand auf, achtete darauf, seinen JanSport-Rucksack vor die Hose zu halten, lief durch den ganzen Büroraum, vorbei am Stacheldrahtzaun des Stützpunkts und rechts durch die Tore, die mitten ins Zentrum der belebten, grellen Straßen Tel Avivs führten. Über ihm ragte der Turm der Azrieli Mall auf, leuchtend wie eine Handvoll Diamanten. Autos jagten sich gegenseitig auf der Schnellstraße die Farben ab. Gerade als er bei einem Straßenverkäufer stand, der frisch gepressten Saft aus Orangen und Weizengras anbot, vibrierte es in der grünen Uniformhose. Er schob das M16 weiter auf den Rücken und griff in die Hosentasche, um Galis Nachricht zu lesen.
bitte sei nicht sauer häng auf stützpunkt fest bis zum we in 2 wochen bitte antworte bitte sei nicht sauer vermiss dich
    Tom schob das Handy in die Hosentasche zurück. Er fühlte schon, wie es anfing wehzutun. Und es ist klar, mehr als klar, wie unmöglich es ist, nichts weiter zu tun, als elf Stunden lang auf ein Telefon zu starren. Ja, ein Telefon. Und darum kann man Tom eigentlich nicht übel nehmen, dass er Gali nicht zurückschrieb, und man kann ihm im Grunde auch nicht übel nehmen, dass ihn seine Beine dahin trugen, wohin sie ihn dann trugen.

    Es war schon zehn Uhr abends und Tom hatte Gali noch immer nicht geantwortet. Das wusste sie, weil sie ihr Handy dabei hatte, obwohl es ihr eigentlich untersagt war, das Handy mit an den Grenzübergang zu nehmen, sie hatte es auf Vibration gestellt und trug es zwischen ihrem Herzen und der kugelsicheren Betonweste. Aus der Ferne sah sie aus wie ein Mann oder wie ein Frosch oder wie ein Froschmann, mit der grünen Außenweste voller Patronen und Tränengasgranaten und dem grünen Helm auf dem Kopf. Als Jenna, die Russin, wegen Dehydrierung ins Krankenhaus gebracht worden war (die dumme überambitionierte Kuh), hatte sich Gali freiwillig gemeldet, auf dem Stützpunkt zu bleiben, obwohl es Zeit für ihr freies Wochenende zu Hause gewesen wäre.
    »He, Gali. Kannst du dir mal den Ausweis hier ansehen?«, fragte Avishag. Sie war die andere Stabsgefreite, die in dieser Nacht zusammen mit Gali Dienst am Tor für Transporter hatte. Ihre glatten Haare guckten platt gedrückt unter dem Helm hervor. Offizier Nadav saß auf einem weißen Plastikstuhl mit Blick auf die beiden, knackte mit den Fingern und beobachtete gemütlich jede von Avishags Bewegungen.
    Auf dem Ausweis, den Avishag Gali zeigte, stand »Mustafa Al-Zain«. Dem Ausweis nach, der ziemlich echt aussah, war er israelischer Araber. Das Lachen auf dem Foto war so breit, dass sich seine rote Nase dabei kräuselte, und auch wenn auf seinem Ausweis stand, dass er zweiundvierzig war, sah er aus wie zwanzig, und außerdem ziemlich gut.
    »Hallo Mustafa«, sagte Gali und beugte sich vorsichtig in Richtung Fahrerfenster vor, das M16 wie vorgeschrieben auf ihn gerichtet. »In deinem Ausweis steht, dass du in einem der Dörfer oben im Norden wohnst. Was machst du hier so weit unten im Süden?«
    »Ach komm schon, Kumpel, was soll das? Ich hab mir nur die Schönheiten Ägyptens angesehen. Kann sich ein Mann nicht einfach nur die Schönheiten Ägyptens ansehen?«, sagte Mustafa. Hinter ihm war nichts außer Sandhügeln, die wie riesige umgedrehte Löffel auf einem beigefarbenen Esstisch lagen.
    »In einem Transporter?«, mischte sich Avishag mit vorgetäuscht neugierigem Ton und hochgezogener Augenbraue ein.
    »Ja, kann sich ein Mann nicht einfach in einem Transporter die Schönheiten Ägyptens ansehen?«, versuchte Mustafa sein Glück. Aber es war schon zu spät, und das wusste er. Noch während er sprach, drückte er den Knopf, um die Tür zum Laderaum zu öffnen.
    Der Transporter war bis auf drei kleine Kartons komplett leer, ziemlich sauber und man roch sogar Febreze-Raumspray. Gali kniete sich hin, um in einen der Kartons zu sehen, den Avishag mit der monströsen, schmerzhaft grellen Taschenlampe anleuchtete. Für einen Moment waren die beiden plündernde Piraten oder

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