Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
Menschen oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Marihuana erwischte. Die meiste Zeit waren ihr die Hände gebunden; irgendwelche hohen Tiere ordneten immer an, dass letztlich doch alles und jeder nach Israel reingelassen werden sollte. Nur einmal alle zwei Monate konnte sie nach Hause, um ihren Freund zu sehen.
Heute ist Freitag. Tom hat das Wochenende frei, Gali auch, und es ist das Wochenende. Sie sollte jeden Moment an Tel Avivs Hauptbusbahnhof ankommen, vielleicht ist sie mit dem Taxi sogar schon auf dem Weg zu ihm. Tom hat jedes zweite Wochenende frei, aber das heißt nicht, dass er unserer Meinung zustimmen würde, einen leichten Job zu haben. Auf ein Telefon zu starren, von dem man weiß, dass es nie klingelt. Als er erfuhr, dass er in diesen Büros stationiert würde, dankte er seiner Mutter überschwänglich, dass sie bei der Frau des persönlichen Assistenten des Generalstabschefs sämtliche Beziehungsregister gezogen hatte. Auf gewisse Weise behandelte man ihn wie einen König, und sein direkter Vorgesetzter sagte sogar, er könne sich aussuchen, an welchem Telefon er sitzen wolle. Jedes Telefon stand für einen für immer geöffneten Kommunikationskanal zwischen der israelischen Armee und den Armeen anderer Länder, und Tom hätte sogar das Telefon nehmen können, das man der libanesischen Armee zugeordnet und das während des jüngsten hässlichen Krieges oft geklingelt hatte.
Er wusste, dass das mit der ägyptischen Armee verbundene Telefon wahrscheinlich nie klingeln würde. Und selbst wenn es klingelte, wusste er, dass der Anruf nichts mit Gali zu tun hätte. Und selbst wenn der Anruf mit Gali zu tun hätte, war es fast millionenprozentig sicher, dass dann nicht sie am Telefon wäre. Und trotzdem entschied er sich für Ägypten, denn wenn er drei Jahre lang darauf warten musste, dass ein Telefon klingelte, wollte er doch zumindest dafür sorgen, dass die Möglichkeit bestand, dass der Anruf vielleicht, irgendwie, auf seltsame und unerklärbare Weise, von ihr kam.
»Ein Tag Zwiebel, ein Tag Honig«, brummelte Hamodys Onkel und hielt die weiße Porzellantasse hoch, damit seine Frau ihm Kaffee eingießen konnte.
»Aber Onkel«, sagte Hamody. Er wollte sagen, »aber Onkel, ich liebe sie«, sagte es aber nicht, weil er nicht klischeehaft klingen wollte.
»Das geht vorbei«, fuhr sein Onkel fort. »Muslime heiraten keine Christen-Mädchen.«
Die meiste Zeit fand Hamody es großartig, dass sein Onkel der Hauptimam von ganz Westägypten war. Die meiste Zeit liebte er seinen Onkel mehr als alles andere auf der Welt.
»Sie wird dich genauso wenig heiraten«, sagte sein Onkel. Hamody stieg der Rauch in die Augen. Er weinte nicht. »Lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach«, sagte sein Onkel und lachte.
Aber genau darum wollte Hamody das Mädchen unbedingt. Nicht weil sie eine Christin war, denn das war sie eigentlich gar nicht, zumindest nicht in seinen Augen. In seinen Augen war sie auch keine Muslimin – sie war überhaupt kein Mädchen. Sie war eine Taube auf dem Dach, die darauf wartete, dass Hamody zu ihr raufkletterte, weil sie zu eigensinnig war, als dass sie ihre Flügel ausgebreitet hätte, um zu ihm zu fliegen. In seinem vorletzten Schuljahr hatte er sie jeden Freitag beobachtet, wie sie mit ihrem kleinen Bruder auf dem Arm und einem summenden Schwarm weiterer Geschwister zum Lebensmittelladen lief. Mit dem freien dunklen Arm manövrierte sie den Einkaufswagen. Wenn junge Männer ihr Hilfe anboten, und das taten sie, reichte sie ihnen immer das Baby und schob weiter den Wagen durch den Laden.
»Oh, danke für deine Hilfe«, hatte Hamody sie einmal zu einem der vielen ahnungslosen Verehrer sagen hören, denen sie das Tragen ihres unberechenbaren Babys überließ, und mit diesem auf dem Arm folgten sie dann dem dunklen Mädchen fassungslos und still durch den Laden. Und Hamody lachte sich kaputt.
»Warum willst du dich ins Unglück stürzen?«, fragte Hamodys Onkel. Hamody fühlte, wie der Strom schwarzen Kaffees ihm durch die Adern rauschte und in seinem Hirn zusammenfloss. Er hatte sich vorher gefragt, warum er seinem Onkel überhaupt von seinen Gefühlen erzählt hatte, und jetzt erinnerte er sich, dass nicht er es war, der da in der vergangenen Woche gesprochen hatte, sondern der Kaffee.
»Ach, Hamody. Gottes Herrlichkeit wird allen Menschen zuteil; nur dass manche sie nicht haben wollen«, sagte sein Onkel. »Wir können nicht alles haben, was wir sehen,
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