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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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über Avishag, die am Boden kauerte, nur schwebte und sich um sie legte wie eine schmutzige Sommerdecke.

    Erst zwei Stunden später, als die Schicht am Kontrollpunkt zu Ende war, konnte man sehen, wie Avishag sich von allen vieren erhob. Als Nadav ihren Kopf berührte, sprang sie schnell auf.
    Sie stieß ihn weg. Und dann noch einmal. Beim dritten Mal bekam er sie zu fassen und hielt sie eine ganze Minute lang umarmt.
    »Komm, wir legen uns hin«, sagte er. »Am Morgen sieht alles schon wieder viel besser aus.«

    In Bereschany, und vielleicht in der ganzen Ukraine, hatte keiner so schöne Haare wie Masha. Nicht wegen der Farbe – auch wenn sie golden gesprenkelt waren. Auch nicht wegen der Form – auch wenn es ihr wie von einer Springbrunnenfontäne in Wellen auf die zarten Schultern fiel. Genau genommen auch nicht wegen der Länge, auch wenn sie es, seit sie zwölf war und es offen tragen durfte, weil die Vorschriften in der Mittelstufe nicht so streng waren wie die in der Grundschule, immer hatte lang wachsen lassen, ganz runter bis zur Taille. Das Besondere an Mashas Haar war, wie es sich um ihr Gesicht legte. Als hätte es ein Eigenleben. Es wusste immer genau, wie es fallen musste, damit ihre runden Wangen in schmeichelhaftes Licht getaucht wurden, ganz egal, wo Masha war. In der Schule, aber auch später, wenn sie um die Mittagszeit zur Schuhfabrik lief, und selbst wenn sie an den Wochenenden mit Phillip Hand in Hand spazieren ging, war es, als hätte sie ihr eigenes persönliches Beleuchterteam, das sie überall hin begleitete und dafür sorgte, dass sie immer erstrahlte, immer von ihrer besten Seite gezeigt wurde.
    Darum machten in der Stadt Gerüchte die Runde, als sie die Haare auf Schulterlänge abschneiden ließ. Jakob, der Frisör, glaubte, der Grund konnte nur ein einziger sein: Geld. Er glaubte, sie würde es an einen Perücken-Laden verkaufen, weil sie Geldsorgen hatte. Kalyna, die alte Frau, der das Haus direkt neben dem kleinen Konzertsaal gehörte, glaubte, der Grund konnte nur ein einziger sein: die Liebe. Sie glaubte, Masha hatte sich frisch in einen jungen Mann verliebt und wollte nun die Ernsthaftigkeit seiner Zuneigung testen, indem sie sich die Haare abgeschnitten hatte. Die achtjährige Mousia, auf die Masha samstagabends aufpasste, konnte es sich nur so erklären, dass Masha verrückt geworden war. Als sie Masha zum ersten Mal mit den kurzen Haaren über den Markt laufen sah, ließ Mousia einen Schrei los und rannte den ganzen Weg bis nach Hause, wo sie sich in ihrem Zimmer verkroch und weinte. Sogar den Vokabeltest, den die Zweitklässler am nächsten Tag schreiben sollten, ließ sie ausfallen.
    Am Ende war es Jakob, der recht hatte, weil der Grund Geld war, aber auch Kalya hatte ein bisschen recht, denn wer weiß, vielleicht war Masha ja auch verliebt. Aber es war doch etwas anders, als sie gedacht hatten. Denn man muss wissen, dass Masha wegen der eifersüchtigen Frau ihres Chefs in der Schuhfabrik gefeuert worden war. Weil Masha mit ihrem Chef schlief. Oft. Und er hatte eine Frau. Es gab in der Stadt keine anderen Jobs, wenn man keine Erfahrung und auch keine Ausbildung vorzuweisen hatte, und Masha würde eine Ausbildung machen, nur dass sie erst mal genug Geld verdienen musste, damit ihre Mutter das Haus behalten konnte, und na ja. Es war, als würde man zwei Schritte vorwärts und das ganze bescheuerte Leben rückwärts gehen.
    Aber halt. Sie konnte ins Ausland gehen, das Kindermädchen einer reichen Familie werden, ihre Haare abschneiden (denn, mal im Ernst, wenn man einen Mann hatte, würde man ihn nicht in der Nähe von Masha und ihren Haaren wollen), genug Geld verdienen, damit ihre Mutter dem Besitzer das blöde Haus sogar abkaufen konnte, genug Geld verdienen, um eine Ausbildung zur Buchhalterin zu machen, und alles andere.
    Nur dass sich der Job nicht ganz als das herausstellte, wovon sie geträumt hatte.

    Erst war es ein Gedanke, der nur in Avishags Kopf existierte, aber als die beiden Mädchen nach dem langen Marsch beim Wachturm ankamen, war es schon ein Gefühl.
    Gali und Avishag kletterten hoch, saßen da und sprachen kein Wort. Und dann verging eine Stunde, und dann war es mehr als ein Gefühl.
    Es war ein brennendes Gefühl, als würden Feuerameisen Avishags Haut von innen auffressen. Erst ergab es keinen Sinn, weil sie letzte Nacht geduscht hatte, als sie von Nadav kam, und es war ein schönes Duschen gewesen mit dem Geruch von Seife, lang und betäubend und

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