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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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außerdem verdurstete er fast in der Wüste. Dann fand er einen Baum, der ihn vor der Hitze schützte, und Gott ließ den Baum verdorren. Da war Jona sehr traurig. Und dann sagte Gott: »Siehst du, Jona? Du hast Mitleid mit dem Baum, obwohl du ihn nicht großgezogen hast, ich aber sollte nicht noch einmal überdenken, all diese Menschen zu töten, die ich erschaffen habe?«
    Aber Gott hatte Jona eine Katastrophe versprochen. Jona hatte seinetwegen völlig umsonst einen Aufstand gemacht. Jona hatte gedacht, die ganze Welt würde untergehen, aber das hätte Gott nie zugelassen. Ich könnte wetten, dass ihm das von Anfang an klar gewesen war. Manche Leute, und Gott, wissen von Anfang an, dass die Welt nicht untergeht. Überall in den Straßen laufen sie fröhlich um mich herum.
    Wir mussten wieder Striche zwischen Satzanfängen und Satzenden ziehen. Dieselben Satzanfänge, dieselben Satzenden, aber diesmal fand ich es schwerer.
    Gott ließ Jonas Rizinusstaude verdorren, weil …
    »Sie lässt euch alle abschreiben, aber ich darf zuerst, also hört auf zu drängeln«, sagte Avishag zu den Mädchen. Sie setzte sich neben mich. Sie grinste mich an, als wäre nichts gewesen. Erst war ich überrascht, dann froh. Ich konnte ihr einfach nicht sagen, dass ich den Platz für Emuna frei gehalten hatte. Das hatte nichts mit Avishag zu tun. Nicht damit, dass ich mich freute, dass sie mir verziehen hatte, Dan geliebt zu haben. Ich wollte nicht, dass Emuna neben mir saß.
    Emuna war echt und dieselbe. Wie zur Dekoration stand sie zwischen den Mädchen und sah mich an. Alle sahen mich an.
    »Ich habe den ganzen Sommer über an dich gedacht«, sagte ich dann laut zu Avishag. »Ich musste die ganze Zeit an dich denken. Du hast mir gefehlt.« Das war der Puls der schlimmsten Momente. Der Puls der Erde, die sich weiter drehte.

    Ich fahre mit dem Fahrstuhl ganz hoch bis zum offenen Verbindungsgang, der zum Eingang der Azrieli Mall führt. Auf der Schnellstraße unter mir jagen sich die Autos gegenseitig die Farben ab; schnell, noch einmal und noch mehr.
    Seit wir aus der Schule raus sind, haben wir uns oft in der Azrieli Mall getroffen. Das machen alle Mädchen. Beim zweiten oder vielleicht beim dritten Mal war der Zauber verflogen.
    Ich weiß genau, was passieren wird, es muss also gar nicht erst passieren. Wird es aber. Ständig passieren Dinge, die nicht passieren müssen. Wir machen sie einfach immer wieder.
    Wir werden uns umarmen, die sieben oder acht von uns, die kommen. Avishag und ich werden uns Küsschen auf die Wangen geben. Wir alle werden Schuhe anprobieren, die wir nie kaufen werden, und Trägertops kaufen, die wir wahrscheinlich nie anziehen werden. Wir werden über Jungs reden und über die Aufnahmeprüfungen für die Uni, über Kellnerjobs und darüber, wie gut es ist, die Armee hinter sich zu haben. Wir werden uns über Tali und Lea lustig machen, weil sie Offizierinnen geworden sind. Die beiden werden mantraartig aufsagen, wie leicht man Geld verdienen kann, wenn man ein Jahr länger bei der Armee bleibt, weil man als Offizier mehr verdient als bei einem normalen Job und außerdem keine Ausgaben hat. Ich sage dann, »ausgerechnet du? Lea!«, und sie wird mit den Schultern zucken oder mir einen Klaps auf den Rücken geben, eine ihrer automatisierten Bewegungen, Überbleibsel ihrer früheren Autorität, denen es jetzt an Kraft fehlt. Wir werden uns im Café Aroma einen Kaffee bestellen, und Lea wird sich ein Zuckerpäckchen in den Mund kippen. Dann werden wir alle lachen. Wir werden die Damentoilette überfluten, und eine Obdachlose wird uns anspucken, wenn wir uns die Hände mit der Industrieseife waschen. Dann fahren wir mit dem Fahrstuhl hoch zum Dach, und ein Mädchen wird sagen, dass die Menschen in den Straßen von Tel Aviv von hier oben wie Ameisen aussehen. Vielleicht sogar ich. Eine wird sagen, »es ist so schön, dass wir zusammen sind.« Eine andere wird dann sagen, »Tel Aviv ist einfach der Hammer.« Wir alle werden hoffen, dass wir unsere Kinder nicht in einer Kleinstadt großziehen müssen.

    Als Noam mich sieht, kommt sie auf mich zugerannt und umarmt mich. Dann zeigt sie mir ihren Ring.
    »Topas und Weißgold«, sagt sie.
    Ich merke erst nach einer Weile, dass Emuna nicht da ist. Ich denke zu viel, und nur an mich.
    Als ich merke, dass Emuna nicht da ist, bin ich aufgeregt.
    Und vielleicht kann das der Knall sein. Vielleicht ist Emuna nach Indien gereist. Vielleicht sitzt sie in ihrem früheren

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