Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
bewegte sich vorwärts. Unser Auto bewegte sich vorwärts. Der Mann mit der Waffe kam näher. Ja, ich hätte denken können, tu uns nichts . Aber ich dachte etwas anderes. Ich dachte, nicht uns, denen. Geh zu denen. Geh zu denen. Und ich schwieg.
Ihr Auto bewegte sich ein Stück vorwärts, unser Auto rückte auf, ihr Auto bewegte sich noch ein Stück. Dann richtete er die Waffe auf das Fenster und erschoss Emunas Mutter. Er rannte weg; er verschwand.
Emuna in dem ganzen Rot, ich sehe sie.
Aber das ist nicht die schlimmste Erinnerung. Was danach passierte, war viel schlimmer.
Nachdem ich gegenüber von der Azrieli Mall aus dem Bus gestiegen bin, laufe ich ein paar Schritte und kann nicht glauben, dass ich lebe. Ich fühle mich wie eine Kopie meiner selbst, dabei ist gar nichts passiert.
Die Leute gehen ihrer Wege; der Busfahrer hilft der Äthiopierin mit dem Kinderwagen aus dem Bus. Der Selbstmordattentäter, der nie einer war, marschiert allein auf ein Café zu, in dem junge Leute draußen sitzen, die Füße auf den Tischen und rauchen. Die Menschen, all diese Menschen laufen wie von unsichtbaren Stricken gezogen kreuz und quer, vorwärts, schnell. Ich höre den Klang ihrer Schritte. Die Autos brummen wie riesige Fruchtfliegen, die mich umgebende Musik der Stadt berührt mich. Die Gebäude verbreiten ihre Düsterkeit, und ich denke, selbst wenn der Bus explodiert wäre, es hätte nichts geändert. Das alles wäre trotzdem da.
Es kommt mir oft so vor, als könnte ich mich nicht mehr an die Beerdigung oder an die Tage danach erinnern, aber ich weiß, dass ich da gewesen bin. Ich habe viel geweint, andere Mütter haben mich in ihre Arme genommen, und dann hat meine Mutter mich zu Hause in ihre Arme genommen.
Ich wusste, ich würde Emuna nicht sehen müssen, weil sie den Sommer über immer weg war. Der Sommer hätte anders verlaufen können, ich dachte, das würde er vielleicht, aber er war dann so wie immer; ich wunderte mich nur, dass das Dorf und das Land noch nicht explodiert waren, dass ich noch nicht explodiert war. Ich wartete auf eine Explosion, die nie kam und die ich nicht verdient hatte.
Ich erinnerte mich an etwas, das Emunas Mutter an dem Tag gesagt hatte, als Omer sich von ihr getrennt hatte, dass sie nämlich sterben wollte. Ihre Mutter sagte, sie hätte geglaubt, ihr Leben würde anfangen, als Emunas Vater ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, und dann dachte sie, ihr Leben würde anfangen, als sie ihn geheiratet hatte, und dann, als Emuna geboren wurde. Oder war es meine Mutter, die das über mich gesagt hatte?
Die schlimmsten Augenblicke kamen danach.
An einem der ersten Tage in der achten Klasse fuhr meine Mutter meine Schwester und mich zur Schule, und unser Auto war genau hinter dem von deinem Vater. Meine Augen waren ausgetrocknet und bereit. Ich hatte meine Dr. Martens an und meine Schlaghose.
Ich konnte dich am Ärmel deines Pullis kauen sehen. Ich hatte noch den Geschmack der heißen Schokolade im Mund, die ich ein paar Minuten zuvor getrunken hatte. Draußen regnete es auf die Bananenfelder, und durch mein halb runtergekurbeltes Fenster sah ich die Bananen und die Erde.
»Es regnet«, sagte meine Mutter. »Mach das Fenster zu.« Ich schaute auf die Autos vor uns und stellte mir vor, ein Glied in dieser Kette zu sein, eine Note in diesem Takt.
»Mach das Fenster zu«, sagte meine Mutter. Ich saß hinten und sie drehte sich zu mir um. »Es regnet.«
In der Schule lief ich hinter Emuna allein durch das kaputte Tor, mitten hinein in das Neonlicht, das Geplapper und die Flure mit Linoleumböden. Die Mädchen schwirrten alle um meinen Platz herum, als ich mich hinsetzte, und ich nahm die Bibel-Hausaufgaben aus dem JanSport-Rucksack.
Wir behandelten im dritten Jahr in Folge das Buch Jona. Die Lehrerin war dieselbe und hatte vergessen, dass wir das Buch Jona schon im Jahr davor durchgenommen hatten. Vielleicht war es ihr auch egal. Sie war verheiratet.
Jona war ein Prophet, wollte aber keiner sein, aber Gott machte ihn trotzdem zu einem, obwohl Jona sich vor Gott versteckte. Danach ging Jona in diese Stadt voller böser Menschen und sagte ihnen, sie wären wirklich böse, und Gott würde sie alle töten. Die bösen Menschen wurden nicht wütend auf Jona, sondern wurden zu guten Menschen, und Gott verschonte sie.
Da wurde Jona richtig traurig und kam sich saublöd vor, weil er diesen Menschen gesagt hatte, Gott würde sie töten, nur damit Gott kurz danach seine Meinung änderte, und
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