Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Ortschaft Makarska auf einem Campingplatz direkt am Wasser. Was gibt es Romantischeres als die zerklüftete kroatische Felsenküste mit ihren steilen Schluchten und finsteren Höhlen? Ich konnte damals wirklich überhaupt nicht nachvollziehen, dass unser Erstgeborener sich dafür nicht interessierte und die Tage lieber in seinem kleinen Zelt verbringen wollte. Es war mir auch wirklich unverständlich, dass sich mein Tommy so lange dagegen wehrte, mit mir ins Wasser zu gehen, um mit seiner eigenen, nagelneuen Taucherausrüstung die phantastische Unterwasserwelt hautnah zu erleben. Wozu hatte er dieses für uns damals sehr teure Geburtstagsgeschenk denn sonst bekommen, wenn nicht für genau diese Gelegenheit!? Ich war verzweifelt und natürlich auch enttäuscht.
Schließlich konnte ich ihn mit der Versprechung, nachher für ihn eine große Sandburg zu bauen, aber dann doch mitsamt der Ausrüstung ins Wasser locken. So tauchten Vater und Sohn schließlich gemeinsam hinunter in die geheimnisvolle Unterwasserwelt des wilden kroatischen Meeres.
Leider konnte ich unter Wasser meinen Sohn nicht rechtzeitig davor warnen, dieses majestätische Objekt vor ihm an dessen langen, schwebenden Fäden festhalten zu wollen. Dass es sich um eine giftige Feuerqualle handelte, war ihm unter Wasser nicht so leicht beizubringen.
Das Gebrüll war über die ganze Bucht zu hören, und wir konnten froh sein, dass sich außer uns niemand den Weg über die nur schwer befahrbare Straße hinuntergetraut hatte und wir somit völlig alleine waren. Ansonsten hätte ich mir sicher von irgendwelchen berufsbesorgten Übervätern irgendwelche Maßregelungen anhören müssen. Aber so brauchte ich keine Zeit mit Erklärungen verlieren, sondern konnte direkt das Vorzelt von unserem Bus abkoppeln und mit meinem durchgehend brüllenden Sohn im VW-Bus die steile Straße hinaufzuckeln, so schnell das die dreißig PS eben zuließen.
Obwohl ich kein Wort von dem Arzt im Krankenhaus von Makarska verstand, machte er einen kompetenten Eindruck auf mich. Für einen Arzt an diesem Ort war das sicher nicht die erste Feuerquallen-Verbrennung, die er behandelte, und genauso wirkte er auch. Er gab meinem immer noch weinenden Sohn eine zugegebenermaßen etwas ruckartige Spritze gegen den mittlerweile nässenden Ausschlag und mir noch ein paar Ratschläge auf Jugoslawisch. Was auch immer in der Spritze gewesen war und sich nun in unserem Tommy ausbreitete, half auf jeden Fall, ihn zu beruhigen. Und wie!
Wieder auf dem Campingplatz angekommen, verkroch sich unser Sohn etwas tapsig in sein Einmannzelt und zog alle Reißverschlüsse zu. Aber schon ein paar Minuten später hörten wir das vertraute Geräusch seiner Hände in der Legokiste und wussten, dass es wohl so schlimm nicht sein konnte.
In der folgenden Woche war unser Sohn zwar nur durch ausgedehntes und behutsames Zureden dazu zu bewegen, wenigstens zum Essen aus seinem Zelt zu kommen, aber nach ein paar Tagen waren die Brandwunden schon gut abgeheilt, und ich konnte einen neuen Versuch wagen. Ich ahnte, nein, ich wusste, sobald er erst einmal im Wasser war, würde es ihm auch gefallen! Welches Kind geht nicht gerne im Meer schwimmen? Eben. Dass wir mit unserem Tommy eben genau dieses Kind gezeugt hatten, wollte uns nicht in den Kopf. Ehrlich gesagt, verstehe ich das bis heute nicht, aber nun gut.
Da es an unserem weitestgehend schattenlosen Standplatz wirklich sehr heiß war und in Tommys Zelt vermutlich umso mehr, konnte ich meinem Sohn dann doch noch einmal nahebringen, wie herrlich es doch wäre, sich zusammen mit mir im Wasser wenigstens für ein paar Minuten zu erfrischen.
Nachdem ich ihm hoch und heilig versprechen musste, dass er dazu weder Taucherbrille noch Flossen anzuziehen hatte, folgte er mir schließlich ganz vorsichtig ins kühle Nass.
Es war für mich ein Augenblick reinster Vaterfreude, als ich sah, dass er diese Erfrischung nach den einsamen Tagen im stickigen Zelt zunehmend genoss. Er versuchte natürlich, sich das nicht anmerken zu lassen, aber ich war sehr froh, dass mein Sohn am Ende nun sah, dass sein Papi eben doch vertrauenswürdig war. Gerade winkte ich meiner Frau und deutete mit triumphierender Geste auf unseren planschenden Kleinen. Im selben Moment brüllte er los wie ein Jochgeier.
Die Stacheln von dem erstaunlich langstacheligen Seeigel, in den er getreten war, wurden ihm von dem uns bereits bekannten Arzt routiniert aus der Fußsohle entfernt. Damit sich das Ganze nicht entzündete,
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