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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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keinen Fall vorenthalten möchte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen des nun folgenden Kanons an Berichten mit dem Überthema »Bootfahren«. Hätte ich mich damals schon so für mythologische Geschichten interessiert wie heute, ich hätte schon als Kind immer eine Münze für den Fährmann dabeigehabt …

Drei Kammern sollst du haben ...
    … wenn du ein Schlauchboot bist. Und wenn du ein gutes Schlauchboot bist, dann möge jede einzelne dieser Kammern zur Not in der Lage sein, dich zurück in den sicheren Hafen zu tragen. Oder an den halbwegs sicheren Strand. Oder die scheißgefährliche Felsenküste, egal, alles ist besser als irgendwo da draußen auf dem Meer zu treiben. Aber ich greife vor.
    Nach einer ersten von vielen folgenden äußerst unbequemen und mückengeplagten Nächten strotzte mein Vater immer schon in der Früh vor Tatendrang. Eines Tages richtete er seinen morgendlichen Urlaubsaktionismus in Richtung unseres Schlauchbootes …
    Nur kurze Zeit später war unser stolzer Schwan auch schon ausgepackt, ausgerollt und aufgepumpt und wurde in sinnloser Hektik mit Dingen beladen, die man wiederum in drei Kategorien einteilen kann:

    1. Dinge, die man dringend braucht.
    2. Dinge, die man brauchen könnte.
    3. Dinge, die man ganz sicher nicht braucht.

    In Kategorie 1 fallen solch essenzielle Objekte wie Ruder, Sonnenschirm und Trinkwasser. Kategorie 2 wäre zum Beispiel eine Schaufel. Irgendwie gut, wenn man eine dabeihat, vermittelt sie doch das Gefühl, für irgendwas gerüstet zu sein, ohne dass man jetzt genau wüsste, wofür; sicher ist nur: Man braucht sie nie. Kategorie 3 allerdings kann ich nicht beschreiben, denn ich weiß bis heute nicht, was in diesen Beuteln und Taschen eigentlich drin war. Ausgepackt habe ich sie nie gesehen, denn wir brauchten sie kein einziges Mal. Trotzdem wurden all diese Behältnisse zum Boot getragen, im Boot verstaut und nach dem Ausflug wieder aus dem Boot geholt und in einer Ecke des Vorzelts deponiert. Ich muss bei Gelegenheit mal nachfragen, was da eigentlich drin war. Schaumstoffchips vielleicht.
    Papis ganzer Stolz war aber nicht nur das dank drei Kammern völlig unsinkbare Schlauchboot der Firma Metzeler, oh nein: Papis ganzer Stolz war der ( Tusch ) Außenbordmotor!
    Dieses Präzisions-Kraftpaket der Firma Mac – die sonst Rasenmäher herstellte – hatte ein jämmerliches PS und trieb aus einem unerfindlichen Grund eine Schraube an, die nur zwei Flügel hatte. Dazu gleich noch mehr beziehungsweise noch weniger.
    Erst einmal muslöffelten wir uns über den milden Wellengang hinüber zu einer kleinen Insel, die meinen Vater schon seit Tagen keck fordernd angelächelt hatte. Nach nur zwanzig Minuten waren wir tatsächlich auch schon angelandet und verbrachten einen erschreckend harmonischen Tag auf diesem Eiland. Ich weiß nicht mehr, was wir dort gemacht haben, vermutlich gar nichts, und somit war ich sogar einigermaßen entspannt, als es gegen Nachmittag Zeit wurde für die Rückfahrt.
    Da entstieg auch mein Vater in Schnorchelausrüstung breit grinsend dem Meer und wollte gerade die üblichen Schauermärchen von Muränen, Feuerfischen und anderem Getier einleiten, als er von einer wirklich ziemlich hohen Welle unterbrochen wurde, die sich scheinbar komplett in seinen Schnorchel ergoss und ihm erst mal einen Hustenanfall bescherte. Während Papi tauchen gewesen war, hatte sich nämlich der Wellengang verachtfacht – sowohl von der Heftigkeit als auch von der Höhe. Zum ersten Mal nahmen auch Mami und ihr kleiner Sohn wahr, dass die Wellen deutlich höher waren als Papi und sich somit die Frage stellte, wie wir eigentlich das Schlauchboot wassern wollten.
    Eine Mischung von Abfälligkeit und Amüsement in unsere Richtung hohnlachend, patschte mein Vater in seinen Flossen über den Strand und schnurstracks auf das Schlauchboot zu, welches gemütlich in der Sonne vor sich hin trocknete. Mami und mir war klar, dass er uns jetzt vorzuführen gedachte, wie problemlos dies alles vonstattengehen könne, wenn man sich nicht so hasenfüßig aufführte. Also rafften wir all unseren Kram aus Kategorie 1, 2 und 3 zusammen und machten, dass wir in das Boot kamen.
    Mein Vater sah uns einen Moment lang stumm an, wie wir da in dem Boot hockten – das allerdings noch ein paar Meter vom Wasser entfernt war –, bereit, in die Wellen hinausgeschoben zu werden. Dann seufzte er, wie nur Väter seufzen können, und bewies uns abermals, dass ein passionierter

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