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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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Rennradfahrer eben auch was in den Oberarmen haben muss. Denn er zog uns doch tatsächlich über den Strand hinunter bis zu der Stelle, an der der Sand schon dünn vom Wasser benetzt war. Dann verschluckte ihn eine Welle und uns auch.
    Hustend und alle Körperöffnungen randvoll mit Sand und Steinchen strampelte ich mich in die Richtung, die sich nach Oberfläche anfühlte. Da ergriff mich auch schon mein Vater und schmetterte mich eher ins Boot, als dass er mich hob. Meine Mutter und der größte Teil von Kategorie 2 und 3 waren bereits gerettet. Gerade als Papi das Boot auch besteigen wollte, kenterten wir ein zweites Mal.
    Um Sie jetzt nicht zu langweilen, mache ich es auch hier kurz: Wir kenterten noch ein drittes, viertes und ein fünftes Mal, und jedes Mal musste jede Kategorie Federn lassen. Wir selbst waren bald am Ende der Kräfte, aber die Alternative wäre gewesen, eine Nacht alleine auf dieser winzigen Insel zu verbringen, und das wollten wir erst recht nicht. Also kämpften wir weiter gegen die Wellen, und mein Vater vergaß bei all der Anstrengung sogar kurzzeitig, so zu tun, als sei das alles ein großer Spaß.

    Schließlich erkannte mein Vater unsere einzige Chance darin, hinauszuschwimmen, bis sich die Wellen nicht mehr brachen, und erst dort das Boot zu besteigen. Meine Mutter und ich verschnauften kurz am Strand, während mein Vater das Boot ein weiteres Mal mit allem belud, was noch nicht abgesoffen war, und sich mit einem entschlossenen Grunzer abermals in die Fluten stürzte. Mit der einen Hand schwamm er, und mit der anderen hielt er den seitlichen Gummigriff des Bootes wie ein Schraubstock umklammert. Es ist nur seinem unbeugsamen Willen zu verdanken, dass er nach etwa zwanzig Minuten tatsächlich den Wellenkamm durchbrach und uns hektisch zuwinkte, ihm nun zu folgen.
    Es tut mir leid, dass ich an dieser Stelle gar nicht genau sagen kann, wie meine Mutter und ich es schafften, über die meterhohen Wellen zum Boot zu gelangen, aber vielleicht waren es mangelnde Alternativen, die uns dazu befleißigten, nicht aufzugeben. Zudem hatte mein Vater es mit nur einem Arm und einem Schlauchboot im Schlepptau geschafft, insofern musste es auch mit zwei Armen und ohne Anhängsel menschenmöglich sein.
    Wie auch immer, wir fanden uns nach einer halben Stunde hartem Kampf gegen das Meer doch tatsächlich alle im Schlauchboot wieder, und das auch noch jenseits der Wellenkämme. Stolz auf seine Familie und mit einem schiefen Grinsen, das uns signalisieren sollte, dass er über die Natur ein weiteres Mal triumphiert hatte, zog mein Vater an der Reißleine für den Außenborder. Ich lasse Gnade walten und verrate lieber gleich, was Sie schon ahnen: Als der Motor nach wirklich, wirklich vielen Versuchen endlich ansprang, waren wir schon längst wieder auf der bösen Seite der Wellen, und so währte die Freude über das kurze Spotzpotzpotzpotzpotz nur genau so lange, wie man braucht, um diese Lautmalerei laut vorzulesen.
    Dann spülte uns eine besonders hinterlistige Welle so an den Strand zurück, dass der Motor wieder ausging und außerdem mit der Schraube so hart aufsetzte, dass von den zwei ohnehin schon knapp bemessenen Flügeln eine abbrach.
    Dies bewog meinen Vater dazu, einen weniger subtilen Ansatz zu verfolgen. Er brüllte uns ein »Festhalten, aber g’scheid« zu, das keinen Widerspruch duldete, und ergriff die Rückseite des Bootes. Mit dem Mut oder besser: der Wut der Verzweiflung wuchtete er uns nun zusammen mit einem wilden Urschrei mitten in den nächsten Brecher, und wir konnten nichts anderes tun, als uns panisch festzukrallen. Tatsächlich tauchten wir nur Sekunden später jenseits der Welle auf, und schon wuchtete sich mein Vater entschlossen ins Boot. Dann schnappte er sich eins der Ruder und begann zu rudern, als wäre der Teufel hinter uns her. Meine Mutter wollte ihn dabei unterstützen, fand aber kein zweites Ruder vor. Das hatten wir zusammen mit allem anderen aus Kategorie 1 bereits vor einer Stunde verloren. Also musste mein Vater immer auf einer Seite zwei Schläge rudern, dann auf der anderen Seite und so weiter, damit wir uns nicht im Kreis drehten. Als wir wieder ein paar Meter gutgemacht hatten, stürzte er nach hinten zu dem Ding, das eigentlich ein Rasenmäher hätte werden sollen, und schaffte es auch, ihn nach vier oder fünf Versuchen tatsächlich zu starten. Das machte nur leider keinen Unterschied. Denn dank des abgebrochenen Flügels hatte der Mac-Motor jetzt nur noch

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