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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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ein halbes PS, und das ist wahrlich nicht viel. Vor allem dann nicht, wenn der Motor dank des hohen Wellengangs die Hälfte der Zeit nur salzige Seeluft verquirlt.
    Das war der Moment, in dem ich wieder Durchfall bekam. Keine Ahnung warum, aber so war es, und meine Mutter schwört bis heute, dass das nichts als die Wahrheit ist. So trudelten wir also mit nur einem Ruder, nur einem Schraubenflügel und jeder Menge Dünnschiss einer ungewissen Zukunft entgegen, denn ob wir tatsächlich die richtige Richtung zurück an Land zu unserem Standplatz eingeschlagen hatten, war angesichts der inzwischen vier bis fünf Meter hohen Wellenwände nicht zweifelsfrei auszumachen.

    Es war Nacht, als mein Vater mit Blasen an beiden Händen endlich das blutverschmierte Ruder aus den verkrampften Fingern fallen ließ und aus dem Schlauchboot stieg. Tatsächlich hatten die drei Kammern des Bootes gehalten, und nur die Luft aus dem Boden war entwichen, so dass wir die letzten Stunden in einer Art Gummihängematte gesessen hatten, die angefüllt war mit einer Melange aus Meerwasser, Material der Kategorien 2 und 3 und … dem, was ich sonst noch dazu beigetragen hatte.
    Und so schob mein Vater das Schlauchboot mitsamt seiner Familie darin im flachen Wasser die etwa fünf Kilometer zurück zu unserem Standplatz …

    Wir hielten danach nur noch wenige Tage aus, denn dann sah sogar mein Vater ein, dass ich einfach zu krank für einen Urlaub war und wirklich dringend einen Arzt brauchte. Meine Freude kannte keine Grenzen.

Albern kentern leichtgemacht
    M ein Vater hat ganz offensichtlich eine Obsession für Boote. Das könnte daher rühren, dass er vor meiner Zeit mit seinen wahnsinnigen Freunden Wago, Tom-Tom und dem Bichler Hansi über die Weltmeere gesegelt ist und diese Reisen zu den großartigsten Erlebnissen seines Lebens zählen. Es könnte aber auch sein, dass er nur deswegen mit seinen wahnsinnigen Freunden Wago, Tom-Tom und dem Bichler Hansi über die Weltmeere segelte, weil er eine Obsession für Boote hat. Oder er hat eine Obsession für Boote, weil er heute eben nicht mehr mit seinen wahnsinnigen Freunden Wago, Tom-Tom und dem Bichler Hansi über die Weltmeere segelt und doch so wahnsinnig gerne mal wieder mit ebendiesen Freunden über ebenjene segeln würde.
    Wie dem auch sei, auf jeden Fall führten wir auf allen Campingurlauben immer ein Boot mit uns.
    Interessant ist der Umstand, dass sich die Qualität des mitgeführten Bootes indirekt proportional zur Verwendung verhielt. Soll heißen, je besser das Ding, desto weniger wurde es verwendet. Mit dem alten Schlauchboot ruderten oder tuckerten wir ein Jahrzehnt hindurch ununterbrochen von Insel zu Insel oder von Bucht zu Bucht, wenn wir nicht gerade um Hilfe schrien. Das spätere komfortable Kunststoffboot mit Rudern, Außenbordmotor und Besegelung jedoch wurde im Wesentlichen als Anhänger für Konserven, Teppiche und Zeugs benutzt.
    Ich vermute mal, dass mein Vater in dem Moment den Spaß am Bootsfahren verlor, als damit keine Strapazen mehr verbunden waren. Das Kunststoffboot mit dem hübschen Namen »Flautilus« war nämlich konstruktionsbedingt unsinkbar, und allein dieser Umstand hat meinem Vater wohl den Spaß an der Sache genommen.
    Vielleicht war das auch der Grund, warum er bei seinen seltenen Segelausflügen mit dem Ding dann auch konsequent versuchte, es zum Kentern zu bringen. Am eindrucksvollsten misslang ihm das auf dem pittoresken, kleinen Riegsee bei Murnau. Nachdem er eine halbe Stunde bei nahezu Windstille hin und her gezeitlupt war – was ihm den Spott des gesamten Strandes auf beiden Seiten des Sees einbrachte –, war ihm die Freude am Segeln dann endgültig vergangen, und er steuerte die Anlegestelle an. Dort zog er vorschriftsmäßig wegen des flacher werdenden Wassers das sogenannte Schwert heraus. Dies stellte bei dem ansonsten flachbödigen Boot nämlich den Tiefgang dar, der nötig war, wenn man damit segeln wollte. Ohne das einen Meter lange und etwa dreißig Zentimeter breite Schwert aus lackiertem Holz wäre die Flautilus beim ersten Windstoß umgekippt. Aus unerfindlichen Gründen kam genau in dem Moment ein solcher und warf das Boot mitsamt meinem Vater darin direkt neben dem Steg um. Mit einem vernehmlichen Platscher landete das Segel auf der Wasseroberfläche und saugte sich dort sofort fest. Vielleicht wollte unsere Flautilus nach so vielen Jahren als Packesel einfach noch ein bisschen im Wasser bleiben.
    Kaum aufgetaucht, erinnerte sich

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