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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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sagen Sie das mal einer Kuh. Auf Korsisch.
    Da hatte mein Vater schon eins der Ruder aus unserem Boot geschnappt und wedelte es wild brüllend und mit rollenden Augen über dem Kopf hin und her. Ab und zu steckte er das Ruderblatt in den Sand und riss es ruckartig wieder empor. So schleuderte er den Kühen ein paar gehörige Portionen nassen Sand in die erstaunten Gesichter. Das war den Tieren in seiner Gesamtheit dann doch zu laut, zu unangenehm und vermutlich auch zu seltsam, und tatsächlich trollten sich die ersten drei in Richtung der Müllhalde am anderen Ende der Bucht. Es musste sich hierbei wohl um so etwas wie die Anführerinnen gehandelt haben, denn die anderen Kühe folgten ihnen brav.
    Nur das Arschgebirge vor meinem Zelt erhob sich nicht. Entschlossen baute sich mein Vater vor dem drögen Tier auf und drohte mit dem Ruder. Ich konnte leider nicht sehen, ob die Kuh reagierte, denn meine Sicht war durch den Hintern versperrt. Schließlich wagte ich es, mich ein Stück weit im Zelt aufzurichten, um über das Hinterteil sehen zu können. Immerhin hatte das Tier seinen Kopf gehoben. Doch in dem Moment hatte mein Vater sich gerade wieder zu einer Ruderschaufel voller Sand zwischen die Augen der Kuh entschlossen. Diese wiederum senkte just in dem Augenblick ihren Kopf, als würde sie ausweichen, und die Ladung Sand traf den eigenen Sohn mitten ins Gesicht.
    Ich hatte damit nun wirklich nicht gerechnet und auch nichts kommen sehen. Darum landete mindestens die Hälfte der Sandmenge in meinen geöffneten Augen. Schreiend sprang ich auf und schlug die Hände vors Gesicht. Dass ich dabei den vorderen Giebel meines Zeltes aus der Stange hebelte und zudem eins der Spannseile abriss, war mir in dem Moment einfach nur egal. Meine Augen brannten wie Feuer, und ich war praktisch blind! Ich torkelte irgendwohin, stolperte – vermutlich über das andere Spannseil – und schlug etwas unglücklich auf der platt gedrückten Sonnenliege auf.
    Das verbogene Metall schepperte laut, und das veranlasste wenigstens die Kuh, sich zu erheben, um sich einen weniger stressigen Ort zu suchen.
    Da war meine Mutter auch schon mit klarem Wasser zur Stelle und mühte sich redlich, mir den Sand aus den Augen zu waschen. Nach einer Viertelstunde konnte ich immerhin schon wieder Schemen erkennen, wenn ich für Sekunden die Augen öffnete. Zu mehr reichte es leider nicht, es tat immer noch furchtbar weh.
    Mein Vater hatte inzwischen den Bus vom Vorzelt abgekoppelt, um in den nächsten Ort zu fahren und dort Augentropfen, Salbe oder Was-auch-immer zu besorgen, um meine Pein zu lindern. Während er also mit dem Bus die Serpentinen hochzuckelte, spülte mir meine Mami weiter Wasser durch die Augen.
    Irgendwann hatte ich einfach nur genug davon und wendete mich unwillig ab. Es half eh nichts und schien nur noch schlimmer zu werden. Also nahm ich den dargereichten nassen Waschlappen und verzog mich in das angenehm dunkle Vorzelt, um auf die Rückkehr meines Vaters zu warten.
    Der kam eine knappe Stunde später zurück. Leider ohne Medikamente, denn er hatte weit und breit keine Apotheke ertuckert. Doch um mir wenigstens eine kleine Freude zu machen und mir so zu zeigen, wie leid es ihm tat, hatte er mir etwas anderes mitgebracht: ein deutsches Disneys lustiges Taschenbuch.
    Für wenige Sekunden freute ich mich sogar, doch als ich es aufschlug und versuchte, etwas zu erkennen, begannen die Augen sofort wieder zu brennen, Donald und die Neffen verschwammen vor mir, und meinem Vater dämmerte im selben Augenblick, dass er mit diesem Geschenk mein Martyrium nur noch intensiviert hatte. Ich hatte Sand in den Augen, konnte kaum was erkennen und war somit völlig außerstande, ein Comic zu lesen! Damit hatte er nichts anderes getan, als mir die Zeit zu verzehnfachen! Argh.
    Ich brauchte viele, viele Anläufe, um wenigstens die erste Geschichte des Comics rudimentär zu verstehen. Sie kennen sicher das Bild von dem Esel mit der Karotte, die am Stock vor ihm baumelt. Ich fühlte mich so ähnlich. Aber dadurch kenne ich die Geschichte immer noch fast auswendig. Es geht um Donald, Schneewittchen, die sieben Zwerge und ein Gewächs namens Katzenkraut. Vorne drauf ist ein ungewöhnlich verwegener Donald in Musketier-Gewand abgebildet, umgeben von schwirrenden Degen. Die Geschichte gefiel mir, ich mochte immer schon Cross-over zwischen verschiedenen Welten, und bis heute ist es ja nicht üblich, dass Donald und die Zwerge zusammen auftauchen. Eine lange Zeit

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