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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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ungefähr fünfunddreißig Kilometer südlich von München, und es regnete seit Tagen in Strömen. Schon damals war aber kein Wetter der Welt geeignet, um mich von einem Abenteuer abzuhalten. Im Gegenteil, es verstärkte sogar noch meine Entschlossenheit, eine wunderschöne Zeit zu verbringen. Und wenn es sein musste, dann auch gegen den Willen von Petrus und Konsorten.
Auf der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz schoben wir unsere Räder am Südufer des Sees entlang durch den Wald, was übrigens sehr anstrengend war. Nicht nur wegen der Äste, des Schlamms und der Wurzeln am Boden, sondern vor allem, weil der Rucksack auf meinem Gepäckträger so schwer war, dass ich beim Schieben mein Rad an der Lenkstange mit aller Kraft zu Boden drücken musste, damit es nicht wieder und wieder nach hinten umkippte. Dadurch drückte ich das Vorderrad nur noch tiefer in den morastigen Waldboden, und das drückte unseren Geschwindigkeitsdurchschnitt auf wenige Meter pro Minute. Außerdem mussten wir noch einen seltsamen Zaun überwinden, der sich scheinbar sinnlos quer durch den Wald spannte und uns den Zugang zum See versperren wollte. Auch dieses Hindernis überwanden wir ebenso kichernd wie erschöpft.

Nach längerer Suche fanden wir, völlig durchnässt von Regen und Schweiß, endlich einen geeigneten Platz auf einer kleinen Landzunge am Waldrand. Der Platz war gerade groß genug, um unser Zelt dort aufzubauen. Dieses Zelt war natürlich nicht vergleichbar mit den heutigen modernen Kunststoffzelten. Nein, unser Zelt bestand aus gewachstem Baumwollstoff und hatte einfach hinten und vorne eine Stange mit einem Dorn, um die Zeltplane mit einer Öse einzuhängen. Diese wurde nach allen Seiten mit Schnüren abgespannt, und das war’s. Da die Zelte damals auch keinen Boden hatten, schnitten wir Tannenzweige ab und legten eine Decke darüber. Wir hatten auch kein wie auch immer geartetes Überdach, und da es immer wieder regnete, tropfte jedes Mal, wenn wir versehentlich das Zeltdach von innen berührten, Wasser durch den Stoff in das Zelt. Das hatte zur Folge, dass unser Wolldeckenboden auf den Tannenzweigen immer feucht war und nach kurzer Zeit anfing, sehr unangenehm zu muffeln, was selbst mir irgendwann unangenehm war. Ganz im Gegenteil zu dem unterschiedlichsten Getier, das sich unter unserem improvisierten Boden offensichtlich von Tag zu Tag wohler fühlte.
Hinten im Zelt hatten wir noch Platz für unsere Rucksäcke, und vorne am Eingang gab es immerhin einen Reißverschluss.
Draußen hatten wir sogar noch ein kleines Stückchen Kiesstrand vor unserem Eingang. Unweit von unserem Zeltplatz floss ein kleines Bächlein oder besser gesagt, ein Rinnsal. Aber wir gruben einfach ein Loch, das sich bald mit Wasser füllte und uns so als Wasserstelle diente. Dort, wo sich das Rinnsal mit dem See vereinte, hatte sich ein richtiges sumpfiges Delta mit hohen Schilfgrasinseln gebildet, ein idealer Spielplatz für uns beide.
Als Schlafstelle hatte mein Cousin ein kleines grünes Schlauchboot, das seine Mutter auf einer Tombola gewonnen hatte, und ich, tja, ich hatte eine Luftmatratze, die ebenfalls meinem Cousin gehörte. Da das Schlauchboot, wie damals noch üblich, eine Stoffoberfläche hatte, die das Wasser ähnlich gut aufnahm wie unser Zelt, musste er jede Nacht in einem feuchten »Bett« schlafen, was ihn natürlich fürchterlich nervte. Aber meine Luftmatratze, auf der ich schlief, war auch nicht gerade Luxus. Sie bestand aus einem braunen, ziemlich porösen, harten Plastikmaterial und hatte zwei Kammern. Ein Kopfteil und ein langes Teil, um darauf zu liegen. Da aber für das lange Teil der Stöpsel fehlte, hatten wir uns selber einen nach unserem Ermessen geeigneten Stöpsel aus Holz geschnitzt. Gut möglich, dass der nicht so arg dicht geraten war oder dass die doch schon etwas ältere Luftmatratze irgendwo eine undichte Stelle hatte – jedenfalls musste ich jede Nacht so zwischen zwei und drei Uhr mangels eines Blasebalgs die Matratze mit dem Mund wieder aufblasen. Mir wurde dabei jedes Mal fürchterlich schwindlig, und es dauerte immer eine ganze Weile, bis ich endlich wieder einschlafen konnte.

Bereits am ersten Morgen wurden wir von einer energischen Stimme aus dem Schlaf gerissen. Es war der Förster, der uns klarmachte, dass wir unser Zelt im Landschaftsschutzgebiet aufgebaut hätten, was den Zaun quer durch den Wald im Nachhinein erklärte. Das sei natürlich nicht erlaubt, und wir müssten sofort wieder verschwinden.

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