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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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über trennte man ja auch Micky und Donald, als würden sie unterschiedlichen Welten angehören. Ich blieb für den Rest des verkorksten Tages auch in meiner eigenen kleinen Welt im Halbdunkeln des Campingbusses, ausgestattet mit dem unvermeidlichen Kassettenrekorder, dem Disney-Taschenbuch und einer Rolle Kleenex, um die sandigen Tränen abzuwischen.

    Als das Schlimmste vorbei war, versuchte ich natürlich, den Moment der sichtbaren Gesundung möglichst weit in die Zukunft zu verschieben, um weiterhin im Bus bleiben zu dürfen und meine Ruhe zu haben. Aber als ich am nächsten Tag aus meinem Zelt tappte und dabei – wie ich fand recht authentisch – mit den Händen meinen Weg suchte, durchschaute man mich, und ich wurde genötigt, diesen wunderschönen Tag doch bitte im Freien zu verbringen.
    Inzwischen hatte mein Vater auch dazugelernt, was die Kuh-Problematik anging. Unser Abfallsack hing nun in einem der Bäume und konnte mit einem Seilzug abgelassen werden. Da selbst die korsischen Kühe weder klettern noch Seilzüge bedienen können, waren wir so wenigstens davor gefeit, dass die Viecher den Müll über den Platz verteilten. Ansonsten sorgten Windschutz und Spanngurte rund um unsere Campingidylle für erschwerten Zugang. Das reichte den Kühen schon, um uns in Ruhe zu lassen, denn bevor sie sich unter den Spanngurten durchruckelten, war es wohl bequemer, in aufrechter Haltung zur Mülldeponie zu schlendern. So reduzierte sich auch bald das Kuhfladenaufkommen rund um unseren Platz, was uns als Barfuß- oder Sandalengängern sehr entgegenkam.
    Ich wünschte mir allerdings im Laufe des Urlaubs auch manchmal, über die darmseitige Sorglosigkeit einer Kuh zu verfügen. Die machten sich einfach keine Gedanken, wo sie gerade hinschmetterten. Bei mir hingegen kreiste ein Großteil meiner Überlegungen Tag für Tag darum, wie ich meinen Vater dazu kriegen konnte, mir die Benutzung des mitgeführten Campingklos zu erlauben.
    Da die nächste Gelegenheit für halbwegs ordnungsgemäßes Entleeren des Chemiekloakenbehälters ein ganzes Stück weit entfernt lag, war mein Vater natürlich bestrebt, mich für jedwedes Geschäft in den Wald zu schicken. Ich hingegen hasste nichts so sehr, wie mit blankem Hintern hilflos irgendwo in der Pampa zu knien, während es um mich herum summte, krabbelte und sponn.
    Aber es half alles nichts. Mein Vater drückte mir wortlos die Rolle schmirgelpapiernes Toilettenpapier in die Hand und deutete in Richtung der Bäume: das Klo des Campers, unendliche Weiten …
    Also tappte ich so auch an diesem unseren dritten Tag los, um einen Ort zu suchen, der mein Örtchen werden sollte. Überflüssig fast zu erwähnen, dass man jedes Mal einen neuen Ort braucht, denn am nächsten Tag herrscht am Örtchen des Vortags eine derart hektische Betriebsamkeit, dass man glaubt, der Evolution zusehen zu können. Was so alles entstehen kann aus Kack …
    Dergleichen philosophische Gedanken ausblendend, stakste ich durch das trocken-bräunliche Gehölz und suchte nach einer Stelle, wo mich kein Gras am Hintern kitzeln würde. Denn das hatte bei mir schon mehrfach zu kleinen Panikattacken geführt, dachte ich doch wirklich jedes Mal, dass mir gerade irgendwas irgendwo hoch- oder schlimmstenfalls hineinklettern würde.
    Da erspähte ich einen kleinen kalksteinartigen Hügel direkt hinter einem wuchtigen, alten Baum. Der Baum schützte vor den Blicken, die eventuell vom Trampelpfad herübergeworfen werden könnten, und auf dem Hügel wuchs kein bisschen Kitzelgras. Sehr gut! Perfekt! Schon war ich auf den Stein hinaufgestiegen, hatte die Hose herunterbugsiert und mich in Stellung gebracht … als es plötzlich knisterte. Da krachte es auch schon, als würde man durch mehrere Schichten Esspapier treten, und mein rechter Fuß verschwand in dem Hügel! Ich schrie auf, wollte aufspringen, aber da war auch schon der linke Fuß bis über den Knöchel in dem seltsamen Stein verschwunden. Panisch und schnappatmend riss ich meine Füße aus dem Ding heraus und stolperte mit runtergelassener Hose ein paar Meter, bevor ich der Länge nach hinschlug.
    Man stelle sich das kalte Grauen eines kleinen Jungen vor, der vor kurzem erst einer Wasserschlange und wilden Kühen entkommen war, dann einen Tag lang mit Blindheit geschlagen im Halbdunkeln vegetieren musste und schließlich auf seine Füße starrte, die von weißlich gelben Ameisen bedeckt waren.
    Danach weiß ich nicht mehr so genau, wie ich zum Meer hinunterkam.

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