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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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Papp-Roboter in die Gaststube, und sofort ist wieder Halligalli, die Saragossa-Band spielt Zabadak, und alles klatscht mit auf die geraden Takte. Horrido!
    Nun stand laut meinem Vater bald die Frage der anwesenden Damen im Raume, ob er denn wirklich unter dem Karton nichts als seine Mannbehaarung trüge, und mein Vater entgegnete mit dem Angebot, man möge das doch bitte selbst überprüfen – er sei schließlich frisch verheiratet.
    Das ließen sich die Vorzeltfurien nicht zweimal sagen, und so wurde ein Loch nach dem anderen in den Karton genudelt, um dann mit ein bis zwei spitzen Schreien und Gegacker wiederholten Direktkontakt mit dem gestählten Körper meines Vaters zu quittieren.
    »Also Werner, Sie Schelm, Siehihihi! Was ist denn das?!«
    »Die Wasserschlange aus dem Brunnen, Horrhorrhorr!«
    Okay, hier springe ich ein wenig zu sehr in der Zeit auf und ab, aber Sie verstehen, was ich meine. Nachdem der Pappkarton nur noch aus Löchern bestand, konnte er seine Funktion als letzter Verteidigungswall vor der entgültigen Entblößung nicht mehr wahrnehmen und löste sich auf in hysterisches Geschrei aller Anwesenden.
    Wie es dann dazu kam, dass mein Vater die Brüste der Damen auf einer altertümlichen Waage nach Anzahl der zum Ausgleich benötigten Pfundgewichte vermaß, kann auch er heute nicht mehr sagen. Das Einzige, an was er sich in dem Zusammenhang erinnert, ist die Zahl Fünf. Glückwunsch.
    Auf die Frage meiner fassungslosen Mami, was er sich bei alldem eigentlich gedacht habe, antwortete mein Vater im Brustton der Entrüstung: »Wieso? Der hat doch gesagt, ich soll nackert mitkommen! Ich hab mir ja immerhin noch schnell was übergezogen, aber des ham s’ mir dann ja kaputt g’macht.« Was soll man da noch sagen?

    Fassen wir also zusammen: Mein Vater überwindet sich gern in allen Belangen. Und wenn dabei noch eine Form von Mittelpunktsgewinnung im Spiel ist, wächst er über sich selbst hinaus. Darum war er wohl im Radsport so erfolgreich und mehrfach Bayrischer und Deutscher Meister. Weil er sich da immer wieder überwinden, die Erschöpfungsgrenze weiter verschieben musste und dabei auch noch Publikum hatte! Perfekt!
    Und vielleicht wollte er auch mir diese seltsame Art der Freizeitgestaltung auch irgendwie schmackhaft machen. Allerdings glaube ich nicht, dass er mich dazu erziehen wollte, irgendwann auch nackt am Tresen zu sitzen. Aber er versuchte sehr aktiv, mir den Spaß daran zu vermitteln, gegen sich selbst und seinen beziehungsweise meinen inneren Schweinehund zu kämpfen. Außerdem gegen Wind, Wetter, Wasser, Sonne, Feuer, Sand, Flora, Fauna, Viren, Blutvergiftungen, bakterielle Infektionen, blaue Flecken, Erschöpfung oder einfach nur gegen leise Bedenken.
    Aber mal abgesehen von der Tatsache, dass es auf jeden Fall richtig und gut ist, im Leben nicht immer gleich einzuknicken oder beim ersten Anzeichen von Widerstand zurückzuweichen … was genau hat all das eigentlich mit dem herkömmlichen Sinn des Wortes »Urlaub« zu tun!?

Der Campingplatz im Tunnel
    K lingt erst mal seltsam, was? Gut, der Campingplatz befand sich nicht direkt im Tunnel, aber die Zufahrt befand sich dort. Auch ansonsten war der Platz verdammt nah am Tunnel, nämlich direkt darunter am Hang. Auch ansonsten ist der Campingplatz für mich untrennbar mit dem Tunnel verbunden, denn hier hatte ich in meiner Kindheit ein paar ausnehmend prägende Erlebnisse.

    Diesmal weiß ich sogar, wo in etwa das war: am Gardasee unterhalb dieser Straße namens Gardesana, die man nicht als tunnelreich bezeichnen kann, weil das impliziert, dass da viele Tunnels wären. Viel ist aber gar kein Ausdruck. Laut Wikipedia sind es siebzig.
    Entsprechend irrsinnig war auch die Zufahrt zu dem Campingplatz, der sich dort an die schroffe Felswand klammerte, als hätte er Angst, mitsamt der ganzen Camperbagage abzurutschen und im See zu versinken. Grundsätzlich keine unschöne Vorstellung, aber ab dem Moment, als auch wir dort unser Lager aufschlugen, war ich verständlicherweise gegen eine Versenkung.
    Erwähnenswert erscheint mir noch, dass die Fahrt dorthin für unsere Verhältnisse recht entspannt ablief. Es war nicht ganz so irrsinnig heiß, der Gardasee war nicht das Meer und wirkte von der Uferstraße aus fast schon einladend, ich hatte zwei neue Pumuckl -Kassetten bekommen, die ich auswendig lernen konnte, und zudem jede Menge Bücher aus der Leihbibliothek ausgeliehen. Ich war also verhältnismäßig entspannt und fühlte mich

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