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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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Gasleck im Auto?
    Mein Vater bemühte noch weitere Theorien, wie das passiert sein konnte, während er die beiden breiten Sechskantmuttern mit Kombizange und Schraubenschlüssel so hermetisch gegeneinander verdrehte, dass dazwischen sogar die Luftmoleküle wegen Platzmangels in einen anderen Stadtteil ziehen würden. Im Endeffekt hatte er sich auf den Hersteller der Teile herausgeredet und versprach, nie mehr wieder irgendwelche ausgemusterten Ersatzteile aus der Werkstatt bei der Post zu verwenden, denn das Zeug war ja oft schon bei Anlieferung im Zustand des organischen Zerfalls.
    »Dass die auch nur immer des billigste Glump bei der Post einkaufen …«, murmelte er und schüttelte den Kopf. Er öffnete die Kühltruhe und hielt prüfend die Hand hinein. Dann seufzte er abermals. »Scheiße. Aus«, fluchte er, und wir wussten, was das hieß: nämlich dass er doch mehr ausräumen musste als gedacht, denn nun galt es, die aus Gasmangel erloschene kleine Flamme wieder anzuzünden. Da die Kühltruhe keinen Piezozünder hatte, musste man das händisch mit einem Feuerzeug oder Streichholz erledigen.
    Nach einer Viertelstunde befand sich der gesamte Inhalt der Eckbank auf dem steinigen Feldweg, und mein Vater zog ein Päckchen Streichhölzer aus einer der schmalen Schubladen. Dann beugte er sich mit dem Oberkörper tief hinein in den Kasten der Eckbank, genau da, wo ich vorhin noch gesessen hatte. Meine Mami und ich hörten das leise Flitzzz … des Streichholzes auf der Reibefläche, und unsere Welt wurde hell. Dazu machte es gar nicht leise FLUFF.
    Als wir wieder etwas erkennen konnten, bot sich uns ein Bild des lachhaften Schreckens. Schrecken, weil die orangefarbenen Vorhänge brannten und mein Vater sie gerade mit einem Lappen ausschlug. Lachhaft, als er sich nach erfolgreicher Löschung dieser und weiterer kleiner Brandherde im direkten Umfeld zu uns umdrehte.
    Mein Vater hatte keine Wimpern mehr und auch keine Augenbrauen. Dafür hatte er jetzt eine sehr hohe Stirn. In meiner Erinnerung war er außerdem rußgeschwärzt und dampfte leicht. Aber wie so oft mag das einfach nur der Einfluss von Daffy, Bugs und den Vätern der Klamotte gewesen sein.
    Erst als wir Stunden später schweigend weitergefahren waren und schließlich doch noch einen halbwegs erträglichen Standplatz für die Nacht gefunden hatten, erklärte mein Vater, was er eigentlich hätte voraussehen sollen: In der Eckbank, auf der sein damals einziger Sohn die gesamte bisherige Reise zugebracht hatte, war in der Tat durch das Leck Gas ausgetreten. Da das Gas schwerer als Luft ist, hatte es erst einmal den ganzen Kasten unter mir aufgefüllt, bis es dann auch bei jeder Bodenwelle mehr und mehr durch die Ritzen gepresst wurde und irgendwann in der Nase meiner Mutter gelandet war. Der Funke des Streichholzes hatte mehr als ausgereicht, um das gesamte Gas in der Eckbank zu entzünden und zu dieser überaus lehrreichen wie effektvollen Verpuffung geführt.
    Mir war es auf jeden Fall deutlich lieber, dass wir nun keine Vorhänge mehr hatten und mein Vater aussah wie ein halbrasierter Tennisball, als wenn wir alle mitsamt dem ganzen Kram in die Luft geflogen wären, um dann wie in einem Clever&Smart -Comic zusammen mit Konserven, Moosgummi-Teppichen, einem Schlauchboot und Dingen, die man klappen kann, in einer stationären Umlaufbahn die Erde zu umkreisen.

    Dies ist eine der Lieblingsanekdoten meines Vaters, und er lacht beim Erzählen immer ganz besonders laut. Ich auch bald. Bestimmt.

Überwinde die Scham, sei frei
    D iese folgende Geschichte hat mir meine Mutter erzählt. Es begab sich zu einer Zeit, als ich kaum älter als ein Jahr gewesen sein kann.
    Schauplatz: Irgendeins dieser typischen Pizzagyros- oder Souvlakipasta-Restaurants auf dem Campingplatzgelände, wo man sich des Abends launig trifft und Camperflachs austauscht. Korbgeflochtene Wackelstühle und rot-weiße Tischdecken, die mit durchgesickertem Kerzenwachs auf den Tischen befestigt wurden, damit das Personal die Decken nicht klauen kann, ohne mit dem Tisch zu flüchten. Die alten Campingveteranen sitzen in der Ecke und schütteln gutmütig den Kopf über die jungen Camper, die keine Ahnung haben, wie es früher war, als die Zelte noch aus Holz waren und man für das Wasser erst einmal mit den Zähnen eine Zisterne in den Stein fressen musste. Dazu läuft landestypische Musik, irgendein Sirtaki von Al Bano und Romina Power. Und während ich gerade mal einjährig im nahe gelegenen

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