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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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mehr oder weniger benachbarten Südländer oftmals ein arg dräuendes Gefühl, wenn es wieder heiß und heißer wurde und die Sonne wie mit glühenden Stacheln auf unseren Dachgepäckträger brannte. Dort unter den mehreren Lagen Moosgummi-Teppich lagen schließlich ein paar umfangreiche, signalrote Gasflaschen und warteten nur darauf, in einem möglichst unerwarteten Moment überraschend zu expandieren.
    Und es begab sich, als wir wieder einmal auf einer notdürftig asphaltierten Straße dahintuckerten, dass ich den Blick gen Wagenhimmel lenkte und mir dachte, ob Erschütterungen eigentlich für Gasflaschen auch ein Problem sein können.
    Just in dem Augenblick hob meine Mutter ruckartig die Hand und sagte so, wie nur sie es konnte: »Werni.«
    Mein Vater kannte diesen Tonfall gut genug und fuhr sofort rechts ran. Mami schnupperte durch die Luft und sprach dann ganz leise, als wäre zu hohe Lautstärke leichter entzündlich: »Werni, es riecht nach Gas!«
    Mein Vater schnüffelte, ich schnüffelte mit – wagte aber kaum, mich zu bewegen, obwohl mir rein theoretisch schon klar war, dass das von der Explosionsvermeidung her ebenso albern war wie Flüstern.
    »Ah, Schmarrn«, winkte mein Vater schließlich ab, startete den Motor und lenkte den Bus wieder auf das schlaglochgesegnete Teer-Waschbrett, das nur durch gelegentliche einsame Leitplankenreste als Straße zu identifizieren war.
    Irgendwie beschlich mich ein Gefühl von Déjà-vu, als meine Mutter fünf Minuten später abermals die Hand hob und wieder meines Vaters Namen hervorstieß. Der seufzte tief, hielt aber sofort wieder brav an.
    »Werni, ich schwöre es dir. Hier riecht es nach Gas!!! Ist da oben irgendwas nicht richtig zu?« Damit meinte meine Mutter die Sprengladung auf dem Dach.
    Mein Vater schüttelte nur mitleidig den Kopf. »Glaubst du, dass du da herunten riechst, wenn da oben a Gasflaschn ned dicht is? Ja so ein Schmarrn.«
    Und jetzt machte meine Mutter einen Fehler: Sie zweifelte indirekt die handwerklichen Fähigkeiten und die Gründlichkeit meines Vaters an. »Vielleicht ist ja bei der Kühltruhe irgendwas nicht richtig angeschlossen und …«
    Da polterte Papi auch schon los, denn das konnte er natürlich überhaupt nicht auf sich sitzen lassen: »Was? Die zwoa Schläucherl da soll ich ned richtig zamgschraubt ham? Ah, geh. Mir fahrn jetzt weiter. Des stinkt halt wieder a bissl von draußen rein, wenn der Teer in der Sonne weich wead.« Er kurbelte sein Fenster hoch und drückte wieder aufs Gaspedal.
    Doch kaum war er ein paar Meter gefahren, schrie meine Mutter ihn an: »Halt an! HALT AN!«, und er tat just dies. Meine Mutter griff mit beiden Händen die Backen meines Vaters und drehte seinen Kopf gewaltsam zu ihr. Dann sprach sie sehr leise und eindringlich, als würde sie eine Kuh hypnotisieren. »Werni. BITTE. SCHAU. NACH.«
    Mein Vater sah ein, dass es nur einen einzigen Weg gab, um diesen Blödsinn zu beenden. Er würde nachsehen, dabei sehr viel seufzen, dann wieder einsteigen, und wir würden weiterfahren. Wie bei der Spinne damals, nur ohne Ein- und Ausräumen und … na ja, ohne Spinne. Und außerdem hatte es die Spinne ja wirklich gegeben, und dieses Gasgespinst war nun mal völliger Unsinn.
    Also lenkte er den Bus mit schicksalsergebenem Blick auf einen schmalen Feldweg und hielt an. Dann stieg er aus und ging um das Auto herum. »Bua, steig aus, die Mami will heut nicht mehr ankommen und noch eine Nacht aufm Parkplatz schlafen.«
    Ich verdrehte genervt die Augen, legte meinen Kassettenrekorder zu Seite und stieg aus. Mitten hinein in die niederschmetternde Hitze von Egal-es-ist-überall-heiß-und-scheiße-Land irgendwo in der kargen Provinz von Und-heute-ganz-besonders-Boah.

    Mein Vater schaffte es diesmal, bei wirklich jedem zweiten Handgriff zu seufzen. Meine Mutter blieb ungerührt und sah ihm dabei zu, wie er mein Spielzeug, die Bücher und die Kassetten von der Sitzbank räumte, selbige abhob und zur Seite stellte. Dann fing er an, die Stelle freizuräumen, an der sich das einzig in Frage kommende Anschlussstück der Gasleitung befand, wo eventuell irgendetwas … aber das war sowieso garantiert nicht der Fall.
    War es aber doch. Mochten es die Schlaglöcher gewesen sein, Materialermüdung oder der Pumuckl – die Gewinde hatten sich gelöst, und in der Tat war wohl etwas Gas ausgetreten. Meine Mutter war ebenso alarmiert wie zufrieden. Freuen konnte sie sich nicht über ihren Sieg, denn wer freut sich schon über ein

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