Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
Vom Netzwerk:
nach dem verdammten Stöpsel. Ich versuchte mich zu erinnern, aus welcher Richtung ich das leise Aufschlaggeräusch gehört hatte, aber je länger ich drüber nachdachte, desto unsicherer wurde ich mir. Natürlich war die Flugbahn rudimentär nachvollziehbar aufgrund der Position der Luftmatratze beim Abschuss. Aber ich suchte trotzdem ebenso lang wie vergeblich.
    Ich kletterte wieder die Böschung hinauf und überlegte. Was nun? Da fiel mein Blick auf das Zeltinnere und auf die rachitische Klappkommode mit dem Plastikgeschirr und dem Schweizer Taschenmesser. Bevor Torsten gar keinen Stöpsel hatte, war doch ein Geschnitzter vielleicht noch das kleinere … NEIN! Ich wehrte mich mit aller Kraft dagegen, auch nur irgendetwas zu tun, was mein Vater ebenso getan hätte beziehungsweise sogar getan hatte! Er HATTE einen Stöpsel für seine Luftmatratze geschnitzt, und ich hatte ihn immer dafür verlacht, weil doch jeder weiß, dass das nie im Leben dicht sein kann, also echt! Und jetzt wollte ich selbst … Oh nein, auf gar keinen Fall, never ever!
    Inzwischen hatte ich auch Hunger und holte mir erst einmal unten am Kiosk eine Leberkässemmel mit scharfem Senf. Als ich wieder am Zelt ankam und die schlaffe Matratze sah, bekam ich erneut ein schlechtes Gewissen. Und Schluckauf. Das allerdings von der Leberkässemmel, was mir seltsamerweise bis heute immer wieder passiert. Jajaja, zu schnell gegessen, ist ja gut jetzt.
    Mit geneigtem Kopf machte ich mich wieder auf die Suche nach dem verdammten Stöpsel und fand ihn ums Verrecken nicht. Irgendwann stellte ich fest, dass ich wohl wirklich richtig lange gesucht hatte, denn ich hatte einen ganz schönen Sonnenbrand auf dem Buckel. Die Sonne war wirklich besonders brutal an diesem Tag, und ich fühlte mich auch irgendwie matschig jetzt.
    Ich beschloss, mich ins kühle Zelt zurückzuziehen, und stellte ein weiteres Problem fest: Das Zelt war mitnichten so kühl, wie ich es von den elterlichen Campingurlauben her gewohnt war. Wir hatten es nämlich dummerweise so aufgestellt, dass die Sonne die meiste Zeit des Tages direkt auf die beiden Plastikfolienfenster drömmelte. Jetzt erst erinnerte ich mich daran, dass mein Vater sich immer so positioniert hatte, dass die Sonne durch die Markise vor dem Zelt davon abgehalten wurde, das Zelt allzu irrsinnig aufzuheizen. Mühsam kämpfte ich die Erkenntnis hinunter, dass ich nun schon wieder eine Anregung aus der väterlichen Campingpraxis im Kopf hatte.
    Andererseits war die Hitze langsam kaum zu ertragen, und die Plastikfolie der Zeltfenster schlug sogar schon erste Wellen.
    Eine seltsame Energie schoss mir plötzlich durch den Körper, und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde hatte ich mich plötzlich zu etwas entschlossen. Bevor ich recht nachdenken konnte, was ich da eigentlich vorhatte, war ich auch schon in blinden Aktionismus eruptiert. Ich würde das Zelt umdrehen. Jetzt. Alleine!
    Schon zog ich die ersten Heringe aus dem Boden und musste dabei grinsen. Ich war nämlich auf Torstens Gesicht gespannt, wenn der Eingang plötzlich an einer anderen Stelle war. Ich hatte einen Heidenspaß dabei, mir vorzustellen, wie ich einfach so tun würde, als wüsste ich nicht, wovon er redet. »Wie, der Eingang ist woanders? Du hast es doch mit mir aufgebaut. Was ist denn los mit dir, Torsten?« Hihi. Lustig.
    Die Heringe ließen sich recht leicht herausziehen, und das Zelt stand nun dank ausuferndem Gestänge auch ohne die Verspannung verhältnismäßig stabil vor mir. Doch nun galt es, das Ding um neunzig Grad zu drehen, und das war wiederum alleine nicht ganz so einfach. Ach sagen wir doch einfach mal, es war eigentlich unmöglich. Wir erinnern uns an meine Beschreibung vom Anfang des Buches, dass man schon mit drei Personen Schwierigkeiten haben kann, ein familiengroßes Zelt mit vier Ecken statisch einwandfrei herumzudrehen. Besonders ärgerlich war, dass sich zwar das Gestänge und eigentliche Zelt leidlich bewegen ließ, was aber nicht automatisch auch für das Überdach zutraf.
    Bei meinem ersten Versuch verdrehte ich also das Zelt unter dem Dach und musste feststellen, dass dieses zwar nicht an den Seiten, aber oben entlang des Giebels eingehakt war. Irgendwelche Nähte knackten, und ich stoppte erschrocken. Hatte ich die Schlingen am Giebel abgerissen? Nein, ich hatte nur vergessen, dass das Innenzelt ebenfalls mit acht Heringen im Boden verankert worden war. Normalerweise fallen die Dinger ja schon freiwillig entgegen der

Weitere Kostenlose Bücher