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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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Schwerkraft aus dem Boden, wenn man sie nur schief ansieht. Dies war aber einer der seltenen Fälle, wo die Dinger auch einen Atomschlag überstanden hätten. Demzufolge hatte ich eine der Schlaufen der Koje abgerissen, und eine Ecke hing nun schlaff herunter. Großartig.
    »Was machst du denn da?«, hörte ich eine bekannte Stimme und hielt inne. Als ich mich aus dem Zeltwust gekämpft hatte, standen vor mir Claudia und Gerdi, in ihrer Hand beide Instrumente.
    »Da«, sagte der Tarnwal und hielt mir mit seinen Pranken Gitarre und Bongos entgegen. Ich nahm beides an und dankte lahm.
    »Geht ihr schon?«, fragte Claudia, und es klang leider so gar nicht bedauernd, sondern eher als sei es zu unhöflich gewesen, jetzt einfach wegzugehen. Ich verneinte und erklärte, dass ich das Zelt gerade drehte, um das Vordach in die Sonnenrichtung zu stellen.
    »Bisschnspät«, murmelte es aus Gerdi, und dann folgte so etwas wie ein mitleidiges Lachen. Gerade wollte ich etwas antworten, als Prinz Kenwoods Jeep schotterspritzend neben unserem Zelt bremste. Durchlaucht stieg aus, und anstatt irgendwas zu sagen, deutete er nur auf Claudia und machte eine Bewegung, die ich sonst eher von Hundehaltern kannte. Übersetzt in Sprache lautete sie so was wie: »Du. Rein. Hopp.« Claudia folgte, stieg ein, und schon rauschte der Jeep die Straße hinauf und dem Rammeln entgegen. In dem Augenblick, wo Claudia tat, was ihr Herrchen befahl, war sie für mich unten durch. Libido hin oder her, das war einfach nur armselig.
    Plötzlich gewannen die ganze Versteckaktion im Feld und der zu wahrende Abstand zu den beiden, als Papa und Konsorten aus der Kneipe wankten, eine ganz eigene Bewandtnis, und ich fühlte mich irgendwie befreit. Das war nicht meine Welt, und ich wollte damit auch gar nichts zu tun haben. Brrr …
    Gerdi blieb noch einen Moment lang stehen, und keiner von uns sagte etwas. Ich weiß nicht, warum, aber ich glaube, sie dachte gerade das Gleiche. Hatte es vielleicht schon oft gedacht, wer weiß.
    Dann brach ausgerechnet sie das Schweigen. »Singst okay. Gut’s Englisch. Hörnichauf.« Dann nickte sie mir zu, drehte sich weg und wobbelte schweren Schrittes hinter dem Auto her die Straße hinauf. Seltsamerweise sahen wir sie danach nie mehr wieder. Vermutlich war ihr Urlaub vorbei. Aber bis heute denke ich an sie und wie sie in dieser Nacht plötzlich losgelegt hatte. Das war ein echter Soul-Moment. Musik, die spricht. Wahnsinn.

    Ich kann nicht genau sagen, warum, aber das halbseidene Lob von Gerdi sorgte für einen Adrenalinstoß. Sie konnte richtig singen und spielte in einer richtigen Band! Eine Band mit mehr als vier Akkorden! Und sie hatte mir gesagt, dass ich okay singen würde. Cool! »Okay«, das war doch … also das war doch echt schon ganz okay, oder nicht? Yes! Das würde ich Torsten erzählen … und vielleicht noch das ein oder andere Lob dazuerfinden, mal sehen.
    Voller Elan wandte ich mich wieder dem viertelgedrehten Zelt zu. Jetzt zu dir, Scheißding, murmelte ich halblaut und griff beherzt die Plane. Ich würde das jetzt durchziehen. Die drückend gestaute Hitze in dem Plastikzelt wütend ignorierend, riss ich die Heringe rund um die Koje aus dem Boden und machte mich dann wieder an die eigentliche Quest des Zeltdrehens.
    Eigentlich hatte ich mit maximal einer halben Stunde gerechnet, und ich konnte mir gar nicht erklären, wieso das alles dann doch so lange dauerte. »Tausend und eine Kleinigkeit« ist die einzig richtige Antwort. Überall hakte es, hing es, knackte es, verschob sich was, waren Steine im Boden exakt an der Stelle, wo der Hering perfekt positioniert gewesen wäre … Es war zum Verrücktwerden! Und dann passierte etwas wirklich Schreckliches. Noch heute stockt mir der Atem bei dem Gedanken, aber ich spreche die Wahrheit.
    Ich hatte Spaß.
    Ich hatte Spaß dabei, gegen das verdammte Zelt zu kämpfen, ja die eigentlich unerträgliche Hitze machte mich nur noch entschlossener! Ich würde mich nicht von so etwas wie schönem Wetter kleinkriegen lassen, oh nein, ich würde dieses Zelt herumdrehen, und wenn mich die Sonne dabei pulverisieren würde, verdammt noch mal! Sonne, ich verlache dich! Du kriegst mich nicht klein! Ich singe okay, verdammt noch mal! Hast du gehört? Verdammt okay! Also sieh mich an und wisse, dass ich es ernst mit dir meine! Siehst du mich schwitzen? Ja! Aber siehst du mich aufgeben? Nein! Ich nehme den Kampf nicht nur auf, ich gewinne ihn! Ich bin am Leben … ich …

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