Das Wagenrennen
ob Parax nicht doch Recht hatte, als er behauptete, wir wären verflucht. Der Regen ist heftiger als je zuvor. Sonst gibt es immer wieder kurze Perioden, in denen er aufhört, die Sonne scheint und die Stadt die Chance bekommt, Luft zu holen. Dieses Jahr scheinen die Regenfälle jedoch erbarmungslos zu sein. Das Leben in ZwölfSeen wird zusehends unerträglich. Der Quintessenzweg ist ein Schlammsee, und einige der kleinen Straßen, die von ihm abzweigen, sind vollkommen unpassierbar. Einige Gebäude sind bereits zusammengebrochen, nachdem ihre Fundamente unterhöhlt waren. Wohin man auch sieht, überall versuchen die Leute verzweifelt, die Gebäude abzustützen, Dächer zu reparieren oder den Schlamm aus ihren Wohnungen zu schöpfen. Der Handel in der Stadt ist fast völlig zum Erliegen gekommen, und die Wut über die Orgks liegt wie eine siedende Wolke über Turai.
Währenddessen gibt es derartig schreckliche Gewitter, dass unsere nicht so nervenstarken Bürger anfangen, in den alten Prophezeiungen zu blättern, und sich fragen, ob das Ende der Welt naht. Makri erhebt wütend ihr Schwert gegen den Himmel, während sie auf dem Hinterhof den Elementen trotzt und ihre Kampfübungen absolviert.
Ich erhalte noch eine magische Warnung. Diesmal wird sie direkt in meinen Bierkrug gehext, was ich als persönlichen Affront werte. Meine Miete ist zwar fällig, aber dieses eine Mal sieht Ghurd ein, dass es nicht meine Schuld ist, wenn ich nicht rechtzeitig zahlen kann. Ich bin im Moment nicht der Einzige, der Schwierigkeiten hat, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Straßenverkäufer, Boten, Huren, Kutscher – alle beugen sich den Elementen und bleiben in ihren Häusern hocken, wo sie darauf warten, dass sich das Wetter ändert.
»Ich bin durch die halbe Stadt gelatscht und habe nach diesem verdammten Gebetsteppich gesucht«, erkläre ich Makri. »Das ist einer der frustrierendsten Fälle, die mir jemals untergekommen sind.«
»Was ist mit Mursius’ Mörder?«
»Das ist ebenfalls einer der frustrierendsten Fälle, die mir jemals untergekommen sind. Weißt du …«
»Ja, schon klar«, unterbricht Makri mich. »Also, auf wen setzen wir im ersten Rennen in Simnia?«
»Danke für deine Hilfe. Wohlan, das erste Rennen in Simnia. Ich vermute, dass der zweite Favorit im ersten Rennen eine recht annehmbare Wette ist.«
»Nur annehmbar? Mir fallen bald keine Entschuldigungen mehr für Marzipixa ein. Auf dem Treffen letzte Nacht haben mich alle ganz merkwürdig angesehen. Glaubst du, sie wissen, dass ich das Geld verspielt habe?«
»Das bezweifle ich. Wer würde dir schon unterstellen, dass du dich nicht vollkommen untadelig und aufrichtig verhalten würdest? Schließlich bist du eine entflohene Sklavin aus den Gladiatorengruben und hast Orgk-Blut in den Adern.«
Wir machen uns auf den Weg zu Mox.
»Du könntest mir deinen magischen Regenmantel leihen.«
»Nein, der gehört mir. Wer opfert jeden Tag einen Zauberspruch dafür?«
Ich habe auch meine Gründe, warum ich dringend beim Rennen gewinnen muss. Mir geht das Geld aus, und bald habe ich nicht einmal mehr genug für meinen täglichen Nachschub an Bier.
»Ich funktioniere einfach nicht ohne Bier.«
»Bist du nicht derselbe, der immer über diese Boahsüchtigen herzieht, weil sie ihr Leben an diese Droge verschwenden?«
»Das ist nicht dasselbe«, informiere ich meine altkluge junge Gefährtin. »Bier ist ein ganz normaler Teil eines gesunden Ernährungsplans, vor allem für einen Mann wie mich. Bier gehört zu unserem kulturellen Erbe. Boah dagegen ist etwas für Degenerierte. Lass uns gehen.«
Wir treten hinaus in den Sumpf, der einmal der Quintessenzweg gewesen ist. Eine Sturmböe bläst feuchten Wind vom Meer ins Landesinnere. Der Regen schlägt mir ins Gesicht, und am Himmel zucken Blitze. Ich beiße die Zähne zusammen und kämpfe mich weiter. Mox’ Wettbüro liegt nahe am Hafen, direkt neben Pumps Pfandhaus, einer anderen Einrichtung, bei der ich guter Kunde bin. Trotz des schlechten Wetters werden morgen die Geschäfte dort wieder wie üblich laufen. Pump kann immer auf eine große Zahl von traurigen Stammkunden zurückgreifen, die versuchen, ein bisschen Geld für ihren Lebensunterhalt zu bekommen.
Nachdem Makri am Anfang willkürlich auf jeden Wagen mit guten Quoten gesetzt hat, hat sie ihre Strategie jetzt geändert und wird vorsichtiger. Deshalb nimmt sie auch meinen Vorschlag an, eine kleinere Summe auf Bärenköder zu setzen: fünfzehn ihrer
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