Das Wagenrennen
gestohlen worden. Damals hat mich Donax gewarnt, ihm nicht mehr in die Quere zu kommen. So erscheint es vermutlich unklug von mir, der Meerjungfrau einen Besuch abzustatten und zu verlangen, zu ihm vorgelassen zu werden. Es ist ZwölfSeens gefährlichste Kaschemme und das örtliche Hauptquartier der Bruderschaft.
Einige Handlanger schicken nach einer kurzen Beratung eine Nachricht nach oben. Conax, ein ganz übler Schläger, mit dem ich in der Vergangenheit einige Male aneinander geraten bin, taucht am Fuß der Treppe auf und führt mich nach oben. Er begleitet mich in einen großen Raum, wo Donax an einem Tisch sitzt. Ich grüße ihn freundlich und setze mich hin, ohne abzuwarten, bis er mich dazu auffordert.
Er starrt mich einige Minuten schweigend an. Der Tisch, hinter dem er sitzt, ist sehr ausladend und mit wunderbaren Schnitzereien verziert. An den Wänden hängen wertvolle Gobelins, die Szenen aus Turais ruhmreicher Vergangenheit zeigen. Donax ist zwar nicht so angeberisch wie die meisten anderen Unterhäuptlinge, aber er muss seine Besucher doch auf seine Macht hinweisen.
»Habe ich dir nicht empfohlen, mir nicht mehr in die Quere zu kommen, Detektiv?«, fragt er schließlich.
»Gut möglich«, gebe ich zurück. »Aber früher oder später sagen mir das die meisten Leute.«
»Also, was willst du?«
»Ein bisschen über den Freundeskreis plaudern.«
Jetzt habe ich seine Aufmerksamkeit. Der Wirkungskreis des Freundeskreises liegt weit außerhalb meines Viertels. Ich habe keinerlei Kontakte zu ihm. Deshalb hoffe ich, dass ich durch die Bruderschaft etwas über ihn in Erfahrung bringen kann. Auch wenn sie mich nicht mag, den Freundeskreis mag sie noch viel weniger.
»Also?«, sagt Donax.
Ich fühle Conax’ Blicke in meinem Rücken. Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, saß ich auf einem Pferd und habe ihn einfach über den Haufen geritten. Diesen Liebesdienst würde er mir gerne heimzahlen.
»Ich glaube, sie haben am Hafen irgendwas geplant. Ich dachte, du wüsstest vielleicht etwas darüber.«
»Seit wann bespricht die Bruderschaft ihre Angelegenheiten mit billigen Detektiven?«
»Ich will dich nicht bitten, deine Angelegenheiten mit mir zu besprechen. Ich rede vom Freundeskreis. Ich nehme an, du weißt nicht zufällig etwas über das Lagerhaus, in dem Mursius ermordet worden ist?«
Ich schildere ihm meinen Verdacht, dass der Freundeskreis vielleicht in diesem Lagerhaus gewesen ist. Donax fragt mich, ob ich abgesehen von dieser Wandschmiererei noch irgendwelche anderen Beweise habe.
»Nein, aber es passt mehr oder weniger alles zusammen. Du hast sicher die Gerüchte gehört, dass der Freundeskreis irgendeinen Wettbetrug plant. Senator Mursius hatte seinen Rennwagen beim Turas-Gedächtnis-Rennen gemeldet. Seine gestohlenen Kunstwerke sind in diesem Lagerhaus gelandet. Er auch, und zwar tot. Und dann stellt es sich zufällig als dasselbe Lagerhaus heraus, in dem der Rennwagen der Elfen gelagert wird, nachdem er ausgeladen worden ist. Ich weiß nicht, was das alles bedeutet, aber auf mich wirkt das nicht wie ein Zufall.«
Donax denkt über meine Worte nach. Wie alle Unterhäuptlinge der Bruderschaft ist er zwar gewalttätig, aber nicht dumm. Wenn der Freundeskreis heimlich in seinem Territorium operiert hat, dann will er natürlich alles darüber wissen.
»Und was willst du von mir, Detektiv?«
»Informationen. Im Austausch für das, was ich dir erzählt habe. Und zwar alles, was du über das Lagerhaus weißt oder erfährst. Dafür verrate ich dir alles, was ich über die Aktivitäten des Freundeskreises in ZwölfSeen herausfinde.«
Donax schweigt eine Weile. Man hört nur den Regen, der draußen gegen die Wände prasselt. Schließlich nickt er. »Einverstanden.« Er sieht mich durchdringend an. »Wie ich gehört habe, ist es für dich bei den Rennen nicht gerade gut gelaufen.«
Donax will mich damit beeindrucken, dass er meine Verluste kennt. Ich zucke mit den Schultern und wirke alles andere als beeindruckt.
»Du wirst in der Stadt bald nicht mehr sonderlich beliebt sein«, fährt er fort. »Niemand mag Leute, die auf Orgks aufpassen.«
Das ist ein Tiefschlag. Ich fluche innerlich. Aber vermutlich musste es sich irgendwann herumsprechen. Doch diesmal kann ich mein Unbehagen nicht vollkommen verbergen. Donax lächelt. Jedenfalls glaube ich, dass das fast unmerkliche Zucken seiner Lippen ein Lächeln sein soll. Conax führt mich hinaus.
»Eines Tages werde ich dich umlegen, Fettsack«,
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