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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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um in allen wichtigen Fragen selbst zu entscheiden.
    An unserem zweiten Morgen in Kairo fand unsere Dienerschaft sich wieder ein und nahm ihre Arbeit auf, als sei weiter nichts vorgefallen. Mein Onkel entschloß sich, Malik, Zeineb und Nafi keine Vorhaltungen zu machen. Angesichts der Verwüstungen in unserem Haus mußten wir jede helfende Hand willkommen hei-
    ßen.
    Die Tage nach dem Aufstand waren vom Morgen bis zum Abend mit Arbeit angefüllt. Zerstörte Möbel, Tü-

    ren und Fenster mußten ausgebessert oder ersetzt werden. Da überall in Kairo die Häuser von Europäern und mit ihnen sympathisierenden Einheimischen ähnlich zugerichtet waren, gestaltete sich die Suche nach verfügbaren Handwerkern schwierig. Zu unserem Glück erwies sich der junge Nafi als sehr geschickt im Umgang mit Hammer und Säge, und ein von Onkel Jean in Aussicht gestelltes Goldstück spornte ihn zu-sätzlich an.
    Mein Onkel selbst hielt sich vorwiegend in der Bibliothek auf, um die Bücher, die nicht der Zerstörungswut anheimgefallen waren, in die von Nafi ausgebesser-ten Regale einzusortieren. Wann immer ich nicht auf der Jagd nach Helfern das Handwerkerviertel durchstreifte, ging ich ihm zur Hand, wobei wir meistens über Ourida und das Wahre Kreuz sprachen.
    Noch immer suchten wir nach einem Anhaltspunkt für ihren Aufenthaltsort.
    »Leider sieht es so aus, als wären die Ritter vom Verlorenen Kreuz über die Jahrhunderte hinweg sehr darauf bedacht gewesen, im verborgenen zu wirken«, sagte Onkel Jean. »Ich sehe hier in jedes Buch, das die Kreuzzüge und Ritter behandelt, aber über diesen Orden habe ich noch nichts gefunden. Zumindest scheint er von der Kirche nie anerkannt worden zu sein.«
    »Das wäre dem Wirken im geheimen auch eher ab-träglich gewesen.«
    »Wie wahr. Gleichwohl mag es Aufzeichnungen über diese Ritter geben, wenn auch nicht in den offiziellen Chroniken der Kreuzzüge. Denk nur an den Reisebericht, aus dem Maruf ibn Saad uns vorgelesen hat.
    Wir sollten die Bibliothek des Ägyptischen Instituts daraufhin durchsehen, sobald sie wieder geöffnet wird.«
    »Vielleicht gibt es noch eine andere Bibliothek, die uns Aufschluß geben kann«, sagte ich. »Die im Wü-
    stentempel.« Das Leuchten in Onkel Jeans Augen verriet, daß ihm meine Idee gefiel. »Aber ja, die Bücher dort könnten sehr aufschlußreich sein. Wir sollten Bonaparte unseren ursprünglichen Vorschlag unterbreiten, uns Professor Ladoux als Verstärkung zu schicken.
    Wenn einer die ungewöhnliche Schrift entziffern kann, dann er.«
    »Gut, wann gehen wir zu Bonaparte?«
    »Am besten sofort. Wichtige Angelegenheiten soll man nicht aufschieben. Einverstanden?«
    Und ob ich das war! Alles, was mich zu Ourida brachte, war mir recht. Seit unserer Rückkehr nach Kairo hatte ich das Gefühl gehabt, auf der Stelle zu treten. Jetzt endlich ging es voran!

    Als wir am vierten Tag nach unserer Rückkehr auf die Straße traten, lag sie, im Vergleich zu sonst, sehr ruhig unter der Vormittagssonne. Viele der alltäglichen Geschäfte waren infolge des Aufstands zum Erliegen gekommen. Nicht wenige Ägypter verbargen sich aus Angst vor Rache in ihren Häusern, und diese Angst war berechtigt.
    Nicht nur französische Soldaten zogen plündernd durch die Wohnviertel der Muslime, auch die in Kairo lebenden Christen und Orthodoxen hielten sich auf niederträchtige Weise für während des Aufstands tatsächlich oder angeblich erlittenes Leid schadlos. All das erfüllte mich mit Besorgnis, konnte es doch kaum dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen auf Dauer zum Besseren zu wenden.
    Mein Blick fiel auf Maruf ibn Saads großes Anwesen. Es lag so ruhig und scheinbar verlassen da wie schon an den vergangenen Tagen. Nur hin und wieder sah man einen Dienstboten eilig das Haus verlassen oder dahin zurückkehren. Vermutlich war unser Nachbar so gescheit gewesen, sich während des Aufstands möglichst still zu verhalten. Als Muslim war er den Christen verdächtig und als Freund von Franken den Muslimen. Sich nicht zu rühren und von den Dienstboten nur das Nötigste erledigen zu lassen war das Klügste, was er tun konnte.
    Als ich Onkel Jean darauf ansprach, sagte er: »Sobald wir etwas Zeit haben, suchen wir Maruf auf und fragen ihn, ob wir ihm in irgendeiner Weise behilflich sein können.«
    Trotz der immer noch zahlreichen Straßenkontrollen kamen wir gut voran. Uns sah man schon von weitem an, daß wir Europäer waren, und viele der wachhaben-den

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