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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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getroffen, Professor Cordelier.« Der Ägypter legte die Feder zurück in ihr Samtbett und setzte den Deckel wieder auf den Kasten.
    »Aber schickt es sich für einen Franzosen, das Erzeug-nis einer englischen Fabrik zu verschenken? Wie steht es da mit dem Patriotismus – eingedenk der Tatsache, daß Frankreich mit England im Krieg liegt?«
    Der ironische Unterton war nicht zu überhören, und in demselben Ton fiel Onkel Jeans Antwort aus: »Selbst General Bonaparte würde sich nicht scheuen, seine ganze Armee mit englischen Kanonen auszustatten, könnte er dadurch gewährleisten, daß die Engländer besiegt werden. Wir Europäer haben ein Sprichwort dafür: Der Zweck heiligt die Mittel.«
    »Das eben macht die Europäer so gefährlich«, erwiderte unser Gastgeber. Er lächelte noch immer, aber ich glaubte, aus seinen Worten großen Ernst und große Sorge herauszuhören.
    Er führte uns in einen geräumigen Salon, in dem es kein Mobiliar nach europäischen Maßstäben gab.
    Vielmehr waren in einem großen Rund auf dem mit dicken Teppichen ausgelegten Boden Polster und Kissen verteilt, auf denen wir uns nach orientalischem Brauch mit gekreuzten Beinen niederließen. Eine unauffällige Geste meines Onkels erinnerte mich daran, daß es nach morgenländischer Sitte unfein war, dem Gastgeber die Fußsohlen zu zeigen. Durch die halbgeöffneten Fenster hörten wir die Vögel singen, die Maruf ibn Saads Garten offenbar zahlreich bevölkerten.
    Ein kurzes Händeklatschen des Hausherrn, und mehrere Bedienstete eilten herbei, um uns mit Kaffee und süßen Leckereien zu versorgen. Sie zogen sich schnell wieder zurück. Nur eine junge Frau, die mir sofort aufgefallen war, blieb, um uns zu bedienen. Ihr unverschleiertes Antlitz war von großer Schönheit, und unvermittelt verglich ich es mit den beeindruckenden Zügen Ouridas. Diese Frau war nicht minder anziehend, aber sie war es auf andere Weise. Während Ourida stets von einer geheimnisvollen Aura umgeben war, erblickte ich hier reine, jugendliche Anmut, keine Spur von der Vorsicht und Verschlossenheit Ouridas.
    Nachdem die Frau unsere Tassen mit dampfendem Kaffee gefüllt hatte, sagte Maruf ibn Saad: »Danke, Aflah. Wenn du magst, gieß dir auch Kaffee ein und setz dich zu uns.« Sie ließ sich tatsächlich an seiner Seite nieder, wobei mein Onkel und ich unser Erstaunen nicht verbergen konnten. Hierzulande war es vollkommen unüblich, daß eine Frau – noch dazu eine Dienerin
    – sich dem Hausherrn zugesellte, wenn dieser Fremde empfing.
    »Sie sind verwundert, und das zu Recht«, sagte der Ägypter, als er sich uns wieder zuwandte. »Ich nehme es mit vielen unserer Gebräuche nicht so genau. Meine Beschäftigung mit Ihrer Kultur und deren Sitten hat mich zu der Einsicht geführt, daß es hier wie da vernünftige und unvernünftige Bräuche gibt, und ich nehme mir die Freiheit, mir das Beste aus beiden Kulturen herauszusuchen. Deshalb habe ich meine Tochter sehr viel freier erzogen, als die meisten Väter in Kairo es tun würden. Aflah ist es gewöhnt, zu denken und zu handeln wie ein Mann.«
    »Ihre … Tochter?« stammelte ich und starrte Aflah an, wie es sich weder gegenüber einer jungen Frau aus dem Morgenland noch gegenüber einer aus dem Abendland schickt. »Manchmal zu meines Vaters Leidwesen«, ergriff Aflah das Wort. Die helle, klare Stimme harmonierte vollkommen mit ihrer Erscheinung. »Er hatte sich einen Sohn gewünscht, wurde aber mit einer Tochter geschlagen.«
    »Und jetzt bin ich mit beidem geschlagen«, lachte ihr Vater. »Aflah hat die Bildung und die Durchsetzungs-kraft eines jungen Mannes, aber wenn ihr das nicht weiterhilft, kann sie sich sehr schnell in ein schnurren-des Kätzchen verwandeln, dem ein weiches Vaterherz auch die größte Bitte nicht abschlagen kann.«
    Ich verglich die beiden miteinander und schalt mich einen Narren, daß ich in Aflah nicht gleich die Tochter unseres Gastgebers erkannt hatte. Sie war ebenso feingliedrig wie er und hatte seine erhabene Ausstrahlung, ja, selbst die wachen Augen ihres Vaters hatte sie geerbt. Und sie sprach noch besser Französisch als er, nahezu akzentfrei.
    Als ich eine diesbezügliche Bemerkung machte, ver-
    änderte sich etwas in Aflahs bisher so unbeschwerter Miene. Auf einmal wirkte sie sehr ernst, geradezu sor-genvoll. Ich hatte ihr ein Kompliment machen wollen, mußte mich jetzt aber fragen, ob sie meine Worte als Beleidigung aufgefaßt hatte. »In diesen Tagen ist es überaus nützlich, die

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