Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
Sprache der Franzosen zu sprechen«, sagte sie mit einem sarkastischen Unterton.
    »Schließlich hat die französische Armee unser Land erobert und hält unsere Stadt besetzt. Wer nicht Französisch spricht, wird leicht zum Opfer französischer Plünderer und kann sich nicht einmal mit dem Arzt verständigen, den die Franzosen ihm vielleicht gnadenhal-ber schicken, nachdem sie ihn um ein Haar ermordet haben!«
    » Uskut! – Schweig!« fuhr Maruf ibn Saad seine Tochter an, bevor er, jetzt wieder auf französisch, sagte: »Bitte verzeihen Sie Aflah die unbedachten Worte.
    Was mit Hassan geschehen ist, hat sie sehr mitgenommen. Hassan und sie sind zusammen aufgewachsen, und er ist für sie mehr ein Bruder als ein Diener.«
    Mein Onkel machte eine beschwichtigende Geste.
    »Wir fühlen uns nicht beleidigt. Nach dem gestrigen Vorfall verstehe ich die Erregung Ihrer Tochter nur zu gut. Vielleicht sollten mein Neffe und ich unseren Besuch auf ein andermal verschieben.«
    »Nein, nein, Sie sind meine Gäste, also bleiben Sie bitte!« beeilte sich Maruf ibn Saad zu sagen, bevor wir uns erheben konnten. »Meine Tochter wird sich auf der Stelle bei Ihnen entschuldigen.«
    »Das ist nicht nötig«, erwiderte Onkel Jean. »Wie gesagt, wir fühlen uns nicht angegriffen. Wenn Aflahs Zorn sich gelegt hat, wird sie erkennen, daß unsere Anwesenheit viel Gutes für sie und ihr Volk mit sich bringt.«
    Die junge Ägypterin sah meinen Onkel herausfor-dernd an. »So, wirklich?«
    Onkel Jean ging auf den bitteren Spott in ihrem Ton nicht ein. »Ja, wirklich«, sagte er. »General Bonaparte hat Ägypten von der Jahrhunderte währenden Herrschaft der Mamelucken befreit. Französische Soldaten haben ihr Blut gegeben, damit die Ägypter wieder über sich selbst bestimmen können.«
    »Und ich dachte, die Franzosen seien in unser Land gekommen, um von hier aus die Vorherrschaft Englands in Indien zu brechen«, entgegnete Aflah.
    »Das eine bringt das andere mit sich. Aber ich gebe zu, daß die große Politik schwer zu durchschauen ist, vermengen sich in ihr doch vielfältige Motive. Sprechen wir also von Kairo. Niemand kann leugnen, daß sich seit unserer Ankunft für die Menschen hier einiges zum Besseren gewandt hat.«
    »Zum Beispiel?«
    »General Bonaparte hat in Kairo, wie auch in anderen Provinzen Ägyptens, einen Diwan aus Einheimischen eingerichtet, die die Verwaltung der Stadt in die Hand nehmen sollen. Die nächtliche Straßenbeleuch-tung wurde eingeführt, um die Sicherheit der Menschen zu erhöhen. Durch die Anordnung, die Straßen zu fegen und zu besprengen sowie sie von Abfällen reinzuhalten, ist die allgemeine Gesundheit verbessert worden. Und das sind nur ein paar der neuen Maßnahmen zur Verbesserung des alltäglichen Lebens.«
    »Dafür erheben die Franzosen immer neue Kriegs-steuern. Eine Last, unter denen gerade die Ärmeren ächzen.«
    »Krieg kostet nun einmal Geld, das ist schon immer so gewesen. Wenn unsere Armee die Mamelucken aus Ägypten vertreiben soll, braucht sie Waffen, Pferde, Munition, Pulver, Kleidung und Verpflegung.«
    »Aber wir Ägypter haben euch Franzosen um nichts gebeten!«
    Das sagte sie sehr ruhig, aber es erschien mir wie eine Kanonenkugel, die mitten ins Ziel trifft. Ich konnte mir nicht helfen, mir gefiel die selbstbewußte Art, in der sie ihre Position verteidigte, obwohl ich als Franzose mich eigentlich hätte angegriffen fühlen müssen. Meine Achtung vor ihrer Haltung überwog eindeutig meine Wut über den Inhalt ihrer Einlassungen. Und letztlich sagte sie nichts als die Wahrheit. Gewiß, seit wir in Kairo einmarschiert waren, hatte sich hier einiges zum Besseren verändert. Aber wir nahmen den Menschen auch ihr Geld ab, um unsere Truppen auszurüsten. Im tiefsten Innern war ich mir selbst nicht sicher, ob Bonaparte die Einheimischen nicht nur deshalb so gut behandelte, weil er sie bei Laune halten wollte. Aflah hatte das vielleicht klarer erkannt als ich, und ich bewunderte ihre Klugheit nicht minder als ihre Schönheit.
    Maruf ibn Saad machte eine gebieterische Handbewegung und blickte Aflah streng an. »Wir haben uns lange genug über dieses Thema unterhalten. Unsere Gä-
    ste werden hoffentlich nichts dagegen haben, wenn meine Tochter uns jetzt verläßt, um sich ihren häuslichen Pflichten zuzuwenden.«
    Aflah verabschiedete sich knapp und verließ den Salon, wobei sie ihrem Vater einen wütenden Blick zu-warf. Mir erschien auch die Wut auf ihrem Gesicht außerordentlich liebreizend,

Weitere Kostenlose Bücher