Das Wahre Kreuz
erwarten heute abend einen hohen Gast und dachten, Sie möchten für diese Gelegenheit vielleicht etwas Neues haben.« Ich streifte das dunkle, abgewetzte Kleid von Zeineb, das Ourida trug, mit einem kurzen Blick. »Die Kleider unserer Dienerin haben ihre besten Tage längst hinter sich.«
Ob sie mich verstanden hatte, war nicht ersichtlich.
Jedenfalls trat sie einen Schritt zur Seite und ließ mich ein. Täuschte ich mich, oder lag ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht? Ich bildete mir nur zu gern ein, daß sie sich freute, mich zu sehen. Aber vermutlich war sie eher über meinen ungelenken Auftritt amüsiert. Dazu mußte sie nicht einmal meine Sprache verstehen.
Ich legte die Kleider auf dem Bett ab und drehte mich zu Ourida um. »Ziehen Sie davon einfach das an, welches Ihnen am besten gefällt. Mein Onkel und ich erwarten Sie dann zum Abendessen.«
Sie gab mit keiner Regung zu erkennen, ob sie mich verstanden hatte. Nun, ich konnte schlecht erwarten, daß sie in meiner Anwesenheit begann, die Kleider der Reihe nach anzuprobieren. Also verließ ich sie, um mich selbst für den Abend herzurichten.
Als ich gerade fertig war, vernahm ich Sergeant Kalfans lautes Organ an der Haustür. Offenbar war er beauftragt worden, die Wachmannschaft vor unserem Haus an diesem Abend zu verstärken, und verlangte nun den Grund zu wissen. Aber mein Onkel weihte auch ihn nicht ein.
Um so größer war Kalfans Erstaunen, als endlich Bonaparte in Begleitung nur weniger Männer die Straße entlanggeritten kam und vor unserem Anwesen hielt.
Außer einer berittenen Wache waren bloß die Generäle Berthier und Lannes bei ihm. Sie folgten ihrem Oberbefehlshaber zum Haus, wo Onkel Jean und ich sie be-grüßten. Bonaparte trug eine feinere Uniform als am Nachmittag, hatte aber kaum einen Orden angelegt.
Mit einer knappen Handbewegung unterbrach er die umständliche Begrüßungsrede meines Onkels. »Lassen Sie uns besser ins Haus gehen, lieber Cordelier. Nehmen Sie es nicht als Unhöflichkeit, aber nach einem langen Tag grollt mein Magen lauter als der Donner unserer Geschütze damals vor Toulon.«
Onkel Jean nahm ihm das keineswegs übel. Bonaparte war für seine direkte Art bekannt. Er nannte Dinge beim Namen, die andere nur umständlich zu umschreiben wagten. Und genauso, hatte ich mir sagen lassen, verhielt er sich auch in der Schlacht. Wo andere Generäle noch zauderten, faßte er blitzschnell seine Entschlüsse und konnte seine Gegner auf diese Weise regelrecht überrumpeln. Als er unser Haus betrat, erforschte sein stets aufmerksamer Blick die Einrichtung; nichts schien ihm zu entgehen. »Schön haben Sie es hier, Cordelier. Ein Glück für uns, daß viele uns weniger wohlgesinnte Europäer Kairo vor unserer Ankunft fluchtartig verlassen haben. Ohne ihre Häuser und ihr Mobiliar bliebe uns so mancher Luxus versagt.«
Wir setzten uns an den gedeckten Tisch im Salon, aber ein Stuhl blieb leer.
Bonaparte heftete seinen Blick auf diesen Stuhl. »Ich vermisse den Gast, den Sie in Ihrem Haus beherbergen, Professor. Die junge Dame, von der Sie mir so wunder-liche Dinge berichtet haben, wird doch nicht unpäßlich sein?«
»Ich glaube nicht, General. Vermutlich ist sie einfach noch nicht fertig. Ich werde gleich nach ihr schicken.«
Rasch erhob ich mich. »Bemühen Sie sich nicht, Onkel, ich erledige das.«
Ich begab mich zu Ouridas Zimmer, und sie öffnete mir, wie schon am Nachmittag, nach kurzem Anklop-fen. Einen Moment lang hatte ich befürchtet, sie würde die neuen Kleider verschmähen, aber dem war nicht so.
Sie trug tatsächlich eins der Gewänder, für die ich meinen Geldbeutel so strapaziert hatte: ein blaßblaues, mit gelber Stickerei verziertes Kleid orientalischen Zuschnitts, dem allerdings auch ein gewisser abendländischer Einfluß anzumerken war.
»Möchten Sie mich zum Abendessen begleiten, Mademoiselle?« fragte ich und spürte zugleich das Absur-de der Situation. Wir befanden uns mitten in Kairo, fern der Heimat und ihren Sitten. Vor mir stand eine Frau unbekannter Herkunft, die vermutlich keins meiner Worte verstand. Ich aber verhielt mich, wie es sich in einem Pariser Salon geschickt hätte.
Auch wenn Ourida meine Sprache nicht verstand, wußte sie doch, was ich wollte, und kam mit mir zu meinem Onkel und unseren Gästen, die sich bei ihrem Eintreten allesamt erhoben. Auf den Gesichtern der drei Generäle sah ich nicht nur Neugier, sondern auch Erstaunen, vielleicht gar Bewunderung. Ouridas Schönheit und
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