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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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ihre – wie mir schien – majestätische Erscheinung verfehlten ihre Wirkung auch bei ihnen nicht.
    Bonaparte umrundete den Tisch, blieb vor ihr stehen und küßte ihr die Hand. »Mademoiselle, ich bin entzückt. Allein schon um Ihrer Bekanntschaft willen hat es sich gelohnt, heute abend hierherzukommen.«
    In mir begann es zu brodeln. Hegte er Ourida gegenüber irgendwelche Absichten? Es war allgemein bekannt, daß er kein Frauenverächter war. Da seine Gemahlin Josephine ebensowenig als Kostverächterin galt und man munkelte, die in Paris Zurückgebliebene setze ihrem Angetrauten fortwährend Hörner auf, fand niemand das Gebaren Bonapartes anstößig. Es gab Ge-rüchte, denen zufolge in den Uniformen einiger der Soldaten, die ständig um ihn waren, junge Frauen steckten.
    Zum Glück traten in diesem Augenblick unser österreichischer Koch und Zeineb ein, um uns eine Muschel-suppe zu kredenzen. Wir nahmen Platz, wobei Ourida zwischen Bonaparte und meinem Onkel saß. Obgleich es lächerlich war, sorgte ich mich wegen dieser Sitzord-nung, weil ich mich nicht in der Lage sah, Ourida im Notfall beizustehen. Während der Suppe erörterten Bonaparte und mein Onkel einige Fragen, die unser Wüstenabenteuer betrafen. Ich konnte der Unterhaltung nicht recht folgen, weil der neben mir sitzende Berthier mich in ein eigenes Gespräch über den Tempel verwickelte. Bonapartes Stabschef schien sich sehr für das Bauwerk zu interessieren.
    Nachdem als zweiter Gang eine Fischtorte serviert worden war, versuchte Bonaparte mehrfach, Ourida in das Gespräch einzubeziehen, indem er einfache, kurze Fragen an sie richtete. Sie aber sah ihn nur verständnislos an. Als er partout nicht aufgeben wollte, richtete sich ihr hilfesuchender Blick auf mich. Gern sprang ich in die Bresche und beantwortete, so gut ich konnte, die Fragen, die eigentlich ihr gegolten hatten. Bonaparte nahm das mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis.
    »Auf jeden Fall«, sagte er während des dritten Ganges, gebratenem Fisch in Rahm, »sollten wir jenen Tempel genauer erkunden. Ob die Vorgänge dort eine Gefahr für uns darstellen, läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer sagen. Aber wer gemeine Mörder in diese Stadt schickt, kann nicht ungefährlich sein. Was auch immer das Geheimnis des verborgenen Tempels ist, wir sollten es lüften! Eine Aufgabe für Sie, Professor Cordelier. Diesmal werde ich Ihnen eine ganze Kompanie Grenadiere mitgeben, damit Sie nicht noch einmal fürchten müssen, Ihr Leben an diese seltsamen Ritter zu verlieren.«
    Onkel Jean zeigte sich angesichts der Aufgabe höchst erfreut, aber ich konnte seine Gefühle nicht teilen. Für mich stand fest, daß ich an der Expedition teilnehmen würde. Doch sosehr ich auch darauf brannte, das Geheimnis des Tempels zu ergründen, schwerer wog für mich der Umstand, daß ich Ourida verlassen sollte.
    Allein die Vorstellung, nicht mehr in ihrer Nähe sein zu können, schmerzte mich. Die Aussicht, ihr nicht beistehen zu können, falls sie in Gefahr geriet, erfüllte mich mit Sorge und Angst.
    Zuletzt wurde eine opulente, mit Konfitüre überzo-gene Mehlspeise gereicht. Nach dem Mahl zog Ourida sich in ihr Zimmer zurück, während wir Herren in der Bibliothek einen Kognak tranken.
    Kaum hatten wir einen Trinkspruch auf den heißer-sehnten Sieg über die Engländer ausgebracht, nahm Bonaparte mich beiseite und führte mich hinaus in den Flur, wo wir allein waren. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Hatte der General bemerkt, wie wütend ich ihn angestarrt hatte, als er Ourida Avancen machte? Hatte ich meine Erleichterung und meinen stillen Triumph, als Ourida sich ihm gegenüber gleichgültig zeigte, nicht gut genug verborgen?
    Unter seinem Blick fühlte ich mich wie festgenagelt.
    »Mir ist aufgefallen, daß zwischen Ihnen, Bastien, und der ebenso schönen wie mysteriösen Wüstenrose eine besondere Verbindung besteht.«
    »Wie meinen Sie das, General? Wir kennen einander kaum, und ich kann mich mit ihr ebensowenig unterhalten wie Sie.«
    »Und doch ist da etwas zwischen Ihnen beiden! Das Mädchen hat Zutrauen zu Ihnen gefaßt. Fühlt es sich in die Enge getrieben, sucht es Halt bei Ihnen. Dieses Ver-trauensverhältnis kann uns sehr dienlich sein. Möchten Sie mir helfen, Bastien?«
    »Sehr gern, ich weiß nur nicht, wie.«
    Bonaparte schnupperte an seinem Glas, ohne jedoch von dem Kognak zu trinken. »Sicherlich würden Sie Ihren Onkel gern zu jenem Tempel begleiten, um bei den Grabungsarbeiten

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