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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Aflah zu sprechen.
    Ich war Aflah nur zweimal begegnet, und doch hatte sie mich tief beeindruckt. Wie sollte ich Ourida erklären, was ich für Aflah empfand, wenn ich mir selbst darüber nicht im klaren war?
    »Du Fieber?« wiederholte Ourida und legte ihre flache Hand auf meine Stirn. Auch ohne Fieber genoß ich die Berührung und schloß die Augen. Ihre Hand war angenehm kühl und beruhigend zugleich.

    Ich erinnerte mich an die Nacht, in der ich den Attentäter getötet hatte. Auch da hatte ich später Ouridas Hand auf meiner Stirn gespürt und mir gewünscht, die Berührung möge niemals aufhören.
    Ihre Haut auf meiner fühlte sich an, als hätte ich etwas wiedergefunden, das ich vor vielen Jahren einmal besessen hatte – vor vielen hundert Jahren …

    »Sie sind in der Überzahl, Liebster. Laß uns von diesem Ort fliehen, solange wir es noch können!«
    Ourida, jetzt in einem dunklen Gewand, stand neben mir und blickte mich flehend an. Um uns war es Nacht, und ein kalter Wind spielte mit unseren Kleidern und unserem Haar. Besorgt lauschte ich den sich nähernden Geräuschen, dem Hufgetrappel, dem Wiehern von Pferden und dem Klirren von Waffen oder Rüstungen.
    Es konnte nur noch wenige Minuten dauern, dann hatte der Feind uns erreicht. Ich wandte den Kopf und blickte zu dem Braunen, der sorglos von einer spärlichen Grasnarbe zehrte. Wir hatten nur noch dieses eine Pferd, nachdem Ouridas Falbe in ein Fuchsloch getreten war und sich das Bein gebrochen hatte. Ein Glück nur, daß Ourida nichts geschehen war. Ich hatte den Falben mit meinem Schwert getötet – um sein Leiden zu verkürzen, aber auch, damit seine Schmerzenslaute uns nicht verrieten. Und nun hatten uns die Verfolger doch gefunden!
    »Ein einzelnes Pferd kann uns beide nicht schnell genug forttragen«, sagte ich. »Du mußt allein reiten und das Kreuz in Sicherheit bringen!«
    »Warum ich? Mein Pferd ist gestürzt, nicht das deine.«
    »Aber ich kann unsere Verfolger mit meinem Schwert eine Weile aufhalten und dir einen vielleicht entscheidenden Vorsprung verschaffen.«

    Ich sah, wie es in ihr arbeitete. Aber sosehr sie auch hin und her überlegte, es gab keine andere Lösung. Sie ergriff meine Linke, drückte sie fest und sagte mit erstickter Stimme: »Du sollst nicht sterben!«
    »Ich will nicht sterben. Aber ich habe geschworen, das Kreuz mit meinem Leben zu verteidigen. Du weißt, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Je länger du zö-
    gerst, desto größer die Gefahr, daß unsere Verfolger finden, wonach sie suchen. Ich werde versuchen, es lebend zu überstehen. Aber du mußt reiten, jetzt!«
    Sie nickte stumm, und Tränen rannen über ihr Gesicht. Ein letzter Kuß, dann wandte sie sich ab und lief zu dem Braunen. Sie stieg aufs Pferd, vergewisserte sich, daß der Lederbeutel mit dem wertvollen Inhalt gut am Sattel festgezurrt war, und ritt in die Nacht hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Mir war kalt, aber nicht wegen des Nachtwindes.
    Die Kälte kam aus meinem Herzen.
    Ich hob den schweren Schild vom Boden auf und wartete auf die Feinde. Bald übertönte ihr Hufschlag den von Ouridas Pferd, und dann sah ich auch schon ihre Umrisse vor dem von blassem Mondlicht erhellten Nachthimmel. Keine Sarazenen, sondern Ritter aus dem Abendland, sieben oder acht. Sie sprengten herbei, und schnell war ich eingekreist. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen. Deutlich sah ich ihre Umhänge und die Schilde mit dem doppelten Kreuz. Ihr Anführer brachte seinen Rappen dicht vor mir zum Stehen. Er hieß Gilbert, und die Narben in seinem Gesicht zeugten von vielen überstandenen Kämpfen. Einst hatten wir Seite an Seite gegen die Sarazenen gefochten, doch jetzt standen wir einander als Gegner gegenüber.
    »Die Jagd hat ein Ende, Roland!«

Roland!
    Der Name verwirrte mich, bis ich begriff, daß es mein eigener war. Nicht Bastien hieß ich, sondern Roland.
    »Steh nicht da wie versteinert!« fuhr Gilbert fort.
    »Noch ist Zeit, zur richtigen Seite zu wechseln. Sag uns, wo das Kreuz ist, Roland!«
    »In Sicherheit«, erwiderte ich, was eine Zornesfalte auf Gilberts Stirn hervorrief.
    Ein anderer Ritter zeigte mit der Schwertspitze nach rechts. »Da vorn liegt ein totes Pferd. Von dem anderen Tier und von der Frau ist nichts zu sehen. Sie ist vermutlich allein weitergeritten, um das Kreuz in ein neues Versteck zu bringen.«
    »Ja, vermutlich«, sagte Gilbert düster. »Aber das wird ihnen nichts nützen. Wir werden die Frau und das Kreuz finden. Unser

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