Das Wahre Kreuz
daß ich absolut in seinem Sinn handele.«
Vermutlich tat Lannes das, aber das machte die Sache nicht angenehmer. Vielleicht hätte ich mich darüber freuen sollen, daß Ourida bei Bonaparte in Sicherheit sein würde. Aber würde sie auch vor ihm sicher sein?
Ich dachte daran, wie er ihr bei unserem Abendessen Avancen gemacht hatte, und mußte mir eingestehen, daß mich nicht nur die Sorge um Ourida antrieb, sondern auch Eifersucht.
»Warum schickt General Bonaparte mich zu dem Tempel?«
»Damit Sie Ihrem Beruf nachgehen, Bürger Topart.
Sie sind doch Zeichner, oder? Bonaparte wünscht, daß Sie den Tempel, innen wie außen, in allen Einzelheiten festhalten. Er meint, das könne von großer Wichtigkeit sein.«
Zumindest würde mich das einige Zeit von Kairo und damit von Ourida fernhalten. Im stillen mutmaßte ich, daß es Bonaparte in Wahrheit darum ging.
Aber was hatte seinen Sinneswandel ausgelöst? Gab es im Haus noch einen Spion außer mir, der ich diese Aufgabe so sträflich vernachlässigt hatte? Jemanden, der Bonaparte von dem berichtet hatte, was in der vergangenen Nacht zwischen Ourida und mir gewesen war? Mir blieb nichts anders übrig als zu spekulieren.
Ich ließ General Lannes im Salon zurück und suchte Ouridas Zimmer auf, wo ich sie in möglichst einfachen Worten von der neuen Wendung der Dinge unterrichtete. Ihr Blick hing an meinen Lippen, als könne sie mir folgen. Als ich geendet hatte, kam sie zu mir, legte ihre Hände an meine Wangen und sagte in einem Franzö-
sisch, das weitaus besser war als Maliks Sprachsalat:
»Sorge dich nicht, Liebster! Diesmal werden wir uns wiedersehen!«
12. KAPITEL
Das Geheimnis des Tempels
in unheimliches Gefühl beschlich mich, als ich am E Abend des nächsten Tages wieder dort stand, wo unser Abenteuer begonnen hatte. Rings um den oberir-dischen Teil des Tempels hatten die Soldaten, die meinen Onkel begleiteten, ihr Lager aufgeschlagen und erfüllten diesen alten Ort mit der Geschäftigkeit der Grabungsarbeiten. Das mächtige Untier aus Stein aber hockte unbeeindruckt über ihren Köpfen, als nehme es die Existenz solch unbedeutender Kreaturen gar nicht zur Kenntnis.
Doch nicht das geflügelte Fabelwesen jagte mir trotz der Wüstenglut einen Schauer über den Rücken, es war die Erinnerung an das, was in dem unterirdischen Altarraum geschehen war.
Ich konnte es nicht länger für einen Zufall halten, daß wir jenen Raum ausgerechnet in dem Augenblick betreten hatten, als Ourida in höchster Gefahr schwebte. Nein, gewiß hatte das Schicksal, das Ourida und mich Jahrhunderte zuvor getrennt hatte, uns hier zusammengeführt, mit einer Absicht, die für mich so dunkel war wie das Innere des Tempels, wenn man es nicht mit Fackeln ausleuchtete.
Ourida hatte gesagt, diesmal würden wir uns wiedersehen.
Daran klammerte ich mich, das war meine Hoffnung. Aber unter welchen Umständen würde dieses Wiedersehen stattfinden? Und würden wir dann für immer vereint sein, oder würde am Ende wieder eine Trennung stehen wie damals, vor Hunderten von Jahren, in jener kalten Wüstennacht? Wieder und wieder hatte ich überlegt, was die Vision zu bedeuten hatte.
Der Mann an Ouridas Seite war ich gewesen und doch auch wieder nicht. Er hatte anders ausgesehen, hatte rötliches und nicht dunkles Haar gehabt. Aber ich hatte durch seine Augen gesehen und mit seinen Ohren ge-hört, hatte seine Gedanken gedacht und gefühlt, was er fühlte.
Wenn ich daran dachte, empfand ich abwechselnd Neugier und Angst. Die Neugier drängte mich, mehr darüber herauszufinden, warum ich in Ouridas Nähe diese Visionen hatte. Die Angst aber warnte mich, ließ mich befürchten, mein Leben als Bastien Topart zu verlieren und ein anderer zu werden.
Die Ankunft im Lager befreite mich, zumindest vor-
übergehend, von den quälenden Gedanken. Sobald die Soldaten uns bemerkten, kamen sie uns unter lautem Gejohle entgegen. Für sie war unser Erscheinen eine willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei. Sie hofften auf Nachrichten aus Kairo, auf Klatsch und Tratsch und gewiß auch auf die Ankündigung, daß sie diesen unwirtlichen Ort bald würden verlassen können.
Das Dutzend Husaren, das mich begleitet hatte, stieg, selbst reichlich ermattet, von den erschöpften Pferden.
Während des langen Rittes hatten die Männer ihre pelz-besetzten Jacken ausgezogen und die schwarzen Mützen abgesetzt. Statt dessen hatten sie sich zum Schutz gegen die Sonne weiße Tücher über den Kopf
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