Das Wahre Kreuz
spreizte die Beine, um mich in ihrem Schoß zu empfangen. Eine Welle des Glücks erfaßte mich, als wir miteinander verschmolzen. Glück, wie ich es lange nicht empfunden hatte – in diesem Leben nicht.
Lärm riß mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf, sehr früh, wie ich am niedrigen Stand der Sonne erkannte. Neben mir lag Ourida, auch sie war eben erst erwacht. Wir lauschten beide und hörten Stimmen, einen heftigen Disput. Irgend etwas war nicht in Ordnung.
Da klopfte jemand an meine Zimmertür, laut und doch seltsam zögernd. »Herr, bist du wach?«
Das war Malik mit seinem eigentümlichen Spra-chengemisch.
»Jetzt schon«, antwortete ich unwirsch. »Was gibt es?«
»Soldaten sind hier, Herr, und wollen Sie sprechen.«
»Hat das nicht Zeit bis nach dem Frühstück?«
»Ein Offizier ist dabei, Herr. Er sagt, der Sultan des Feuers schickt ihn und es ist dringend.«
»Führ ihn in den Salon und sag ihm, ich komme gleich.«
»Ja, Herr.«
Ich stieg in meine Kleider und kämmte mir hastig das nach allen Seiten abstehende Haar, während ich zu Ourida sagte: »Du ziehst dich besser an und gehst in dein Zimmer. Ich habe eine böse Vorahnung.«
Sie nickte und kam meiner Aufforderung nach. Ich wußte nicht, ob sie meine Worte verstanden hatte oder nur aufgrund der Situation begriff, was ich meinte. In der Nacht hatten wir nicht miteinander gesprochen.
Wir waren nicht dazu gekommen.
Als ich den Salon betrat, erkannte ich, daß der Offizier, von dem Malik gesprochen hatte, kein anderer war als der junge General Lannes, der zu Bonapartes engsten Vertrauten gehörte und den ich bei dem gemeinsamen Abendessen hier in diesem Salon etwas näher kennengelernt hatte. Lannes, ein stattlicher Mann mit wallendem dunklen Haar, hatte sich in Italien überaus tapfer geschlagen und mehrere Verwun-dungen davongetragen. Er hatte als erster Soldat unserer Armee den Po überquert und sich bei der Erstürmung der Vororte Mantuas hervorgetan. Einer jener vielen Offiziere in Bonapartes Armee, die durch Tapferkeit und das Beherrschen der Kriegskunst vom einfachen Soldaten bis in höchste Ränge aufgestiegen waren.
Ich begrüßte ihn, ohne meine Verärgerung über die frühe Störung zu zeigen, und bot ihm eine Stärkung an.
»Danke, Bürger Topart, ich habe längst gefrüh-stückt«, entgegnete er steif. »Ein Soldat ist stets bestrebt, vor der Sonne wach zu sein.«
Ich überging die Überheblichkeit und den Tadel, die in seinen Worten lagen, und fragte höflich. »Was führt Sie zu mir, Bürger General?«
»Ein Befehl von General Bonaparte. Sie sollen sich sofort bereitmachen, um sich der Expedition Ihres Onkels anzuschließen. Eine Eskorte wird Sie in einer Stunde abholen und zu dem Wüstentempel begleiten.«
Verwirrt hielt ich mich an einer Stuhllehne fest.
»Wieso? General Bonaparte hat mich beauftragt, Ourida unsere Sprache beizubringen.« Lannes’ Kopf ruckte vor, wie um mich ganz genau zu beobachten. »Und?
Haben Sie in dieser Sache Fortschritte zu melden?«
»Nun ja, man darf keine Wunder erwarten bei jemandem, der ganz neu anfängt. So gesehen hat Ourida beträchtliche Fortschritte gemacht. Aber natürlich wird es seine Zeit dauern, bis sie sich in unserer Sprache richtig verständlich machen kann.«
»Eben aus diesem Grund hat General Bonaparte beschlossen, ab sofort einen erfahrenen Sprachlehrer mit dem Unterricht zu betrauen. Ich werde sie zu diesem Zweck in seinen Palast bringen, wo sie von nun an wohnen wird. Dort wird sie auch sicherer sein als hier.«
»Warum sollte sie hier nicht mehr sicher sein?«
Lannes räusperte sich. »Wie soll ich es sagen? Es ist in der Stadt zu einigen kleineren Unruhen gekommen.
Nichts Bedeutendes. Überall, wo fremde Soldaten Quartier beziehen, regt sich ein gewisses Maß an Widerstand. Bonaparte führt zur Zeit Gespräche mit dem hiesigen Diwan, um zu klären, wie die Bevölkerung zu beruhigen ist. Bis die Unruhen beigelegt sind, ist Bonapartes Palast zweifellos der sicherste Ort in Kairo.«
In mir herrschte innerer Aufruhr. Gerade jetzt, da Ourida und ich zueinandergefunden – uns wiedergefunden – hatten, sollte ich sie gehen lassen? Alles in mir sträubte sich dagegen, und gab es keine Möglichkeit, Bonapartes Befehl zu umgehen. Oder gab es doch eine?
Ich straffte meine Gestalt und sagte mit fester Stimme: »Ich möchte mit General Bonaparte persönlich sprechen!«
»Bedauere, aber er ist zu beschäftigt. Deshalb hat er ja mich geschickt. Sie können sicher sein,
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