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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Deshalb verlassen wir uns auf die Waffen, mit denen schon unsere Väter, Großväter und Urgroßväter kämpften.«
    Staunend beobachtete ich die Beduinenkrieger, mehr als hundert an der Zahl, die sich vor meinen Augen im Waffengang übten.
    Berittene Bogenschützen, die ihr Pferd nur durch den Druck ihrer Schenkel und die Verlagerung des Körper-gewichts lenkten, schossen im vollen Galopp ihre Pfeile ab. Als Zielscheibe diente eine runde Holztafel, die auf einer Stange befestigt war.
    Mit einem trockenen Klacken, das eins wurde mit dem Hufschlag der Pferde, traf ein Pfeil nach dem anderen auf die Scheibe. Nicht ein einziger Schuß ging fehl. Ich dachte an den Kreuzritter in der Wüste, den ein Pfeil ins Auge getroffen hatte, und kam zu dem Schluß, daß das alles andere als ein Glückstreffer gewesen war.
    Auch im Kampf Mann gegen Mann übten sich die Beduinen, und das, ohne sich zu schonen. Die Klingen von Krummsäbeln, Dolchen, Streitäxten und Lanzen blitzten im Sonnenlicht, und manch ein Krieger entging dem Stoß oder Hieb seines Gegenübers nur um Haaresbreite.

    »Das sieht gefährlich aus«, bemerkte ich.
    »Eben darum halten wir unsere Waffenübungen auf diese Weise ab«, erwiderte Jussuf. »Ein guter Krieger muß sich der Gefahr, in der er sich befindet, jeden Augenblick bewußt sein. Nur das Wissen darum, daß auch ein winziger Moment der Unachtsamkeit den Tod bringen kann, lässt einen Mann stets achtsam sein.«
    Wie um seine Worte zu unterstreichen, ereignete sich vor unseren Augen ein Unfall. Ein mit Säbel und Schild bewaffneter Mann kämpfte gegen einen anderen, der Streitaxt und Dolch in Händen hielt. Ich sah noch, wie der mit dem Säbel den linken Arm mit dem Rundschild zur Abwehr eines Axthiebes hochriß, aber er war zu langsam. Die Axtklinge schrammte mit einem langgezogenen Geräusch, das mir durch Mark und Bein ging, am Schild entlang und streifte den Kopf des Säbelkämpfers. Der heulte auf, ließ den Säbel fallen und preßte die rechte Hand gegen die linke Kopfhälfte. Blut schoß über seine Hand und seinen Arm.
    Jussuf trat auf ihn zu und fragte streng: »Was fällt dir ein, Murad? Warum läßt du einfach deinen Säbel fallen und brichst den Kampf ab?«
    Der blutende Beduine blickte Jussuf mit schmerzver-zerrtem Gesicht an. »Aber, Scheik Jussuf, Gasim hat mir das Ohr abgeschlagen!«
    Jetzt erst bemerkte ich das blutige, knorpelige Stück Fleisch, das zu seinen Füßen im Dreck lag.
    Jussuf aber würdigte das abgeschlagene Ohr keines Blickes. »Du jammerst wie ein Weib! Willst du dich in der Schlacht auch so anstellen? Glaubst du, so ein Hund von Kreuzritter verschont dich, wenn du ihm deinen Säbel vor die Füße wirfst? Du warst nicht dabei, als wir unsere toten Brüder und Schwestern aus der Zuflucht geborgen haben. Sonst wüßtest du, daß die Kreuzritter auch vor Wehrlosen nicht haltmachen. Du hättest jetzt nicht nur dein Ohr verloren, sondern auch Arme, Beine und Kopf!«
    »Wir sind doch nicht in der Schlacht«, verteidigte sich Murad. »Gasim hätte vorsichtiger sein müssen!«
    »Falsch!« fuhr Jussuf ihm über den Mund. »An dir wäre es gewesen, größere Vorsicht an den Tag zu legen.
    Du warst zu langsam, als du deinen Schild gehoben hast. Zur Strafe hast du dein Ohr eingebüßt. Sei froh, es hätte dich auch schlimmer treffen können. Ihr alle wißt, daß unsere Übungen genauso stattzufinden haben wie jeder ernste Kampf. Mehr noch, sie sind ein ernster Kampf. Gasim hat sich vollkommen richtig verhalten.
    Jetzt geh zum Hakim und laß deine Wunde verbinden!
    Aber vergiß nicht, deinen Säbel mitzunehmen!«
    Beschämt wandte Murad sich ab und bückte sich, um nach der Waffe zu greifen. Das Blut, das noch immer aus der Wunde strömte, färbte sein weißes Hemd rot.
    Da Jussuf und Murad auf arabisch miteinander gesprochen hatten, war mir nicht jeder Satz verständlich gewesen, aber ich hatte doch erfaßt, was vor sich ging.
    Als Jussuf zu mir zurückkehrte, sagte ich: »Du bist sehr streng mit Murad gewesen. Ich habe ihn kämpfen sehen, er ist gewiß kein schlechter Krieger.«
    »Niemand hier ist ein schlechter Krieger, weil alle Männer sich von Kindheit an im Waffengebrauch üben.
    Aber es genügt für einen Ibn Al Salieb nicht, kein schlechter Krieger zu sein. Nur ein sehr guter Krieger wird überleben. Deshalb war ich streng zu Murad. Er mag ein Ohr verloren haben. Wenn er sich das eine Lehre sein läßt, kann ihm das schon in der nächsten Schlacht das Leben retten.«
    »Du

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