Das Wahre Kreuz
du mit dem Sultan des Feuers und seiner Armee in unser Land gekommen bist. Der gewaltsame Tod so vieler Menschen erschreckt dich. Die Abnaa Al Salieb dagegen sind daran gewöhnt, schon seit Jahrhunderten. Wir sind Krieger, die für den Frieden kämpfen. Doch auch uns fügt der Tod Schmerz zu, und das wird sich niemals ändern. Was in der unterirdischen Zuflucht geschehen ist, lastet schwer auf unseren Gemütern. Ich glaube nicht, daß das jemals vergehen wird.«
»Vielleicht wollte Rabjas Vater tatsächlich den Krieg beenden, als er seine Leute verriet.«
»Gut möglich. Was dabei herausgekommen ist, be-weist, daß man den Kreuzrittern nicht trauen kann.
Heute genauso wenig wie damals, als sie zum ersten Mal in unser Land gekommen sind.«
»Diese Ritter, wer sind sie? Die Kreuzfahrten sind seit Jahrhunderten Vergangenheit. Warum kleiden und bewaffnen diese Männer sich wie die Kreuzritter im Mittelalter?«
»Weil sie die direkten Nachfahren der damaligen Kreuzritter sind. Ihr Kreuzzug ist eben nicht beendet.
Und solange sie das verlorene Kreuz nicht gefunden haben, durchstreifen sie unser Land wie ruhelose Geister, aber doch aus Fleisch und Blut. Du selbst hast es erlebt, erst in der Zuflucht und dann in der Wüste, als sie mit dem Chamsin über euch herfielen.«
Sofort stand mir das Massaker in der Wüste wieder vor Augen. Vergebens versuchte ich mich zu erinnern, wann das gewesen war. Im Lager der Abnaa Al Salieb hatte ich jedes Zeitgefühl verloren. Also fragte ich Jussuf.
»Vor fünf Tagen kam der Chamsin. Er brachte deinen Begleitern den Tod, aber auch denen, die euch angriffen.«
»Vor fünf Tagen?« wiederholte ich ungläubig.
»Ja. Du hast lange in einem tiefen Schlaf gelegen, bevor dein wacher Verstand zum ersten Mal wieder die Herrschaft über dich erlangt hat. Dafür ist zum Teil deine Verletzung und zum Teil der Trank des Hakims verantwortlich.« Jussuf sah mich prüfend an. »Wie geht es dir jetzt, Musâfir?«
»Viel besser als bei meinem ersten Erwachen. Von Tag zu Tag werde ich kräftiger. Ich sollte bald nach Kairo aufbrechen. Man wird mich längst vermissen.«
»Wir werden dich sicher nach Kairo bringen, wenn es soweit ist. Die Reise durch die Wüste ist kräftezehrend und gefährlich, das weißt du selbst. Du solltest unser Lager erst verlassen, wenn der Hakim es gutheißt.«
Wir gelangten an einen Bach, den Orangenbäume und Büsche verschiedener Größe säumten. Ein paar Frauen knieten hier, um Wäsche zu waschen. Um sie herum tummelten sich ihre kleinen Kinder im Wasser.
Neugierige Blicke trafen uns und galten wohl besonders mir, dem Gast. »Die Abnaa Al Salieb haben einen schönen Ort zum Leben gefunden«, sagte ich. »Ich hoffe, daß sie in nicht allzu ferner Zukunft auch ihren Frieden finden.«
Jussuf hockte sich hin und schöpfte mit der hohlen Hand etwas Wasser aus dem Bach, um es genußvoll zu trinken. »Der Frieden ist ein seltenes und kostbares Gut. Dasselbe gilt für das Wasser, jedenfalls in unserem Land. Oasen wie dieses Tal sind selten. Lange haben wir hier unbehelligt gelebt, aber jetzt ist der Friede an diesem Ort nicht mehr sicher. Wir treffen alle Vorkehrungen für den Aufbruch, und schon in wenigen Tagen wird das Tal wieder so verlassen daliegen wie vor unserer Ankunft.«
»Aber wieso? Habt ihr einen besseren Ort gefunden?«
»Nein, und der wird auch schwer zu finden sein. Ein Ort, der auch nur annähernd so gute Bedingungen bietet wie dieser – genügend Platz für unser Lager und zugleich gut versteckt –, würde uns schon genügen. Ich habe in alle Himmelsrichtungen Kundschafter ausgesandt, um nach einem solchen Ort zu suchen. Sobald er gefunden ist, werden wir von hier fortziehen. Du fragst nach dem Grund? Denk an den Verrat, den Rabjas Vater geübt hat! Vielleicht hat er den Kreuzrittern auch von diesem Lager erzählt. Selbst wenn sie nicht die genaue Lage kennen, könnten sie aufgrund seiner Angaben die ungefähre Richtung vermuten. Nein, es ist zu gefährlich, wir können nicht noch länger hierbleiben.«
Wir gelangten an einen großen, freien Platz, wo Männer sich im Kampf übten. Mir fiel auf, daß niemand hier Feuerwaffen benutzte, und ich fragte Jussuf nach dem Grund. »Die Feuerwaffen der Europäer mö-
gen mächtig sein, aber hier draußen in der Wüste können wir uns nicht auf sie verlassen. Du hast es erfahren, als der Sandsturm die Waffen deiner Gefährten unbrauchbar machte. Außerdem sind Pulver und Munition hier nur schwer zu bekommen.
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