Das Wahre Kreuz
schüttelte den Kopf. »Das schadet dem, der sich daran zu schaffen macht, oft mehr, als es dem Verletzten hilft. Das Gift kann dadurch auch in den Körper des anderen gelangen. Ich habe einmal miterlebt, wie auf diese Weise zwei Männer statt einem qualvoll ums Leben gekommen sind.«
Von Kirchheim, der lang ausgestreckt auf dem Boden lag, den Kopf auf eine zusammengerollte Decke gebettet, fragte stöhnend: »Und was für eine Schlange war das damals, Bruder Antoine?«
De Barrault senkte den Blick und antwortete leise:
»Auch eine Hornviper.«
Von Kirchheim schien noch blasser zu werden.
»Ihr müßt mich hier zurücklassen«, sagte er und sah zu der Streitaxt, die wieder an meinem Waffengurt hing. »Unsere Mission ist wichtiger, Brüder. Bringt das Kreuz Jesu vor den Ungläubigen in Sicherheit!«
»Nein«, entgegnete ich. »Wir wissen nicht, was für Gefahren noch auf uns warten. Wir müssen einander beistehen, wenn wir unseren Auftrag erfüllen wollen.
Vielleicht ist die Vergiftung weniger stark, als es im Augenblick aussieht. Etwas Ruhe wird dir guttun, Bruder Ludwig. Wir sollten das Zelt wieder aufbauen, um dich und uns vor der Sonne zu schützen.«
Mein Vorschlag, an diesem Ort zu bleiben, wurde nicht von allen befürwortet. De Lacey wies auf die Dringlichkeit unserer Mission hin und Udaut auf den Umstand, daß wir kein Wasser mehr hatten.
»Das Wasser müssen wir uns eben suchen«, erwiderte ich. Udaut war nicht überzeugt. »Das können wir auch, wenn wir weiterziehen und Bruder Ludwig mitnehmen.«
»Jeder Transport wird ihm schaden. Ist es nicht so, Bruder Antoine?«
De Barrault nickte. »Doch, Bruder Roland hat recht.«
Nach einigem Hin und Her wurde mein Vorschlag schließlich doch angenommen, und wir machten uns daran, das Zelt neu zu errichten.
Mitten in der Arbeit hielt de Lacey inne und zeigte nach Norden: »Da, wir bekommen Besuch!«
Über eine mit niederem Gestrüpp bewachsene Bo-denwelle kamen zwei Kamelreiter auf uns zu, der Kleidung nach Beduinen. Als sie uns erblickten, hielten sie ihre großen Reittiere an.
»Vielleicht können sie uns helfen«, sagte ich hoff-nungsvoll, trat einen Schritt vor und winkte ihnen zu.
Die Reiter berieten sich kurz und setzten dann ihren Weg fort. Offenbar erschienen wir ihnen in unserer orientalischen Gewandung ungefährlich. Es waren zwei Männer mittleren Alters mit hageren, sonnenverbrannten Gesichtern. Am Rande unseres Lagerplatzes hielten sie ihre Kamele abermals an. » Es-salâm ’aleikum –
Friede sei mit euch!« grüßte einer der beiden, während er uns forschend anblickte. In der Wüste war es immer geboten, Fremden gegenüber vorsichtig zu sein.
» We ’aleikum es salâm ! – Und Friede sei mit euch!«
antwortete ich und sah ihm an, daß er sogleich in mir den Franken erkannt hatte. Zwar beherrschte ich, wie die meisten meiner Brüder, die arabische Sprache gut genug, um mich mit Einheimischen zu verständigen, aber mein Zungenschlag verriet doch zu deutlich den Abendländer.
» Wallâhi – bei Gott, was hat das zu bedeuten?« entfuhr es dem Beduinen. »Du trägst die Kleidung eines Gläubigen und sprichst mit der Zunge eines Ungläubigen!«
»Wir sind Franken und glauben an den Gott der Christen, das ist wahr. Doch wir alle sind Wanderer in der Wüste, einer auf die Hilfe des anderen angewiesen.« Ich zeigte auf von Kirchheim. »Mein Bruder hier ist von einer Schlange gebissen worden. Wir bitten dich und die Deinen um Hilfe und um Wasser, denn unsere Schläuche sind leer.«
Der Beduine ließ seinen Blick über unser kärgliches Lager und meine Gefährten schweifen, bevor seine schmalen, dunklen Augen wieder mich fixierten.
»Genießen die Meinen und ich das Gastrecht in eurem Lager?«
»Selbstverständlich, mein Wort darauf.«
»So wollen wir euch helfen. Der Koran gebietet, auch dem Wanderer gegenüber barmherzig zu sein. Wir Söhne der Wüste wissen nur zu gut, daß die Beachtung dieses Gebots über Leben und Tod entscheiden kann.«
Er gab seinem Begleiter eine kurze Anweisung, woraufhin dieser sein Kamel wendete und in die Richtung zurückritt, aus der sie gekommen waren.
»Mein Bruder Okba reitet zurück, um die Unsrigen herbeizuholen«, erklärte der erste. »Mein Name ist Rassam.«
Ich nannte meinen Taufnamen und die meiner Ge-fährten, fragte mich aber, ob unsere ungewohnten Namen dem Sohn der Wüste etwas sagten.
Rassam ließ sein Kamel niederknien, stieg ab, nahm seinen Wasserschlauch und gab von Kirchheim
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